Türkei hält im Gasstreit mit Griechenland an Machtansprüchen im östlichen Mittelmeer fest

Der Streit zwischen Griechenland und der Türkei um die Ausbeutung von Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer spitzt sich zu. Beide Staaten sind derzeit nach eigenen Angaben mit ihrer Marine im Mittelmeer unterwegs, um ihre Interessen durchzusetzen.

Ankara lässt trotz internationaler Kritik seine Erkundungsschiffe nach Gas- und Ölvorkommen suchen. Athen wiederum will seinen Hochheitsbereich verteidigen. Neben den Nato-Partnern erhebt auch die Republik Zypern Anspruch auf die betreffenden Seegebiete. Die EU will am Freitag über den Konflikt beraten.

Was ist der größte Streitpunkt?

Die entdeckten Gasvorkommen liegen zu einem großen Teil vor der Küste Zyperns, weshalb der Inselstaat diese Bodenschätze für sich beansprucht. Dabei verweist die Regierung in Nikosia auf das Seerechtsübereinkommen der UNO, wonach Küstenstaaten eine ausschließliche Wirtschaftszone von 200 Seemeilen zusteht.

In diesem Szenario geht die Türkei bei den Gasvorkommen vor Zypern jedoch leer aus, obwohl das Land über die längste Küste von allen Anrainern im östlichen Mittelmeer verfügt. Ankara beharrt deshalb darauf, dass zur Aufteilung des Seegebiets die Küstenlinie der Festlandmasse herangezogen wird. Auf dieser Grundlage beansprucht die Türkei einen Teil der Gasvorkommen vor Zypern, da sie ihrer Ansicht nach auf ihrem Kontinentalschelf liegen.

Die rechtliche Lage wird dadurch verkompliziert, dass die Regierung in Nikosia nur den Süden der Republik Zypern kontrolliert. Der Nordteil ist eigenständig, seit die Türkei 1974 dort intervenierte, um nach einem Militärputsch griechischer Nationalisten einen Anschluss der Insel an Griechenland zu verhindern. Die ausgerufene Türkische Republik Nordzypern wird bis heute jedoch nur von der Türkei anerkannt. Dennoch fordert Ankara, dass die türkischen Zyprer an den Einnahmen aus den Gasvorkommen beteiligt werden.

Wie verhalten sich Zypern und Griechenland?

Zypern hat Vereinbarungen mit einigen Anrainerstaaten und Konzernen abgeschlossen, um das entdeckte Gas ausbeuten zu können. Im Januar unterzeichnete Zypern ein Abkommen mit Griechenland und Israel über den Bau einer Erdgaspipeline. Die 1872 Kilometer lange Pipeline "EastMed" soll Erdgas, das vor den Küsten Zyperns und Israels gefördert wird, nach Griechenland und von dort aus in weitere europäische Staaten leiten. Zypern hat außerdem Lizenzen an die Konzerne Eni, ExxonMobile und Total vergeben, die in der Region mit Probebohrungen begonnen haben.

Griechenland sieht nicht nur die Souveränität der Republik Zypern, sondern auch seine eigene bedroht. Denn die Türkei forscht auch in von Griechenland beanspruchten Gebieten nach Gas. Am Montag schickte die Türkei dazu ihr Erkundungsschiff "Oruc Reis" zur griechischen Insel Kastellorizo - die direkt vor der türkischen Küste liegt. Die türkische Marine begleitet das Schiff, Athen wiederum hat seine Kriegsschiffe dort im Einsatz. Griechenlands Außenminister Nikos Dendias forderte eine EU-Dringlichkeitssitzung wegen des Konflikts.

Anfang August hatte Athen zum Ärger der Türkei ein Abkommen mit Ägypten unterzeichnet, das auf die Einrichtung einer Wirtschaftszone zwischen den Ländern im östlichen Mittelmeer abzielt.

Wie verhält sich die Türkei?

Ankara setzt sich über internationale Kritik hinweg und hält an seinem Kurs fest. Noch im August will die Türkei Bohrlizenzen für Seegebiete im "westlichen Teil unseres Kontinentalschelfs" vergeben, kündigte der türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu an. Er fügte hinzu: "Unsere Entschlossenheit ist vollkommen." Im Juni hatte das türkische Energieministerium angegeben, dass die Bohrungen im östlichen Mittelmeer in drei oder vier Monaten beginnen werden.

Derzeit hat die Türkei ihre Erkundungsschiffe "Yavuz", "Barbaros Hayrettin" und "Oruc Reis" ins Mittelmeer entsandt. Die Schiffe waren bisher nahe der griechischen Inseln Kreta und Kastellorizo sowie Zypern aktiv.

Besonders kritisiert wurde die Türkei für ein Ende 2019 abgeschlossenes Abkommen mit Libyen. Ankara versucht so, das türkische Seegebiet erheblich auszuweiten. Gleichzeitig drohte die Türkei, alle "nicht autorisierten" Aktivitäten in dem Gebiet zu verhindern. Ägypten und Griechenland sehen durch die Vereinbarung ihre Souveränität verletzt. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags stufte das Abkommen als unzulässig ein, da es zu Lasten Dritter gehe. Allerdings wies auch der Dienst daraufhin, dass die Abgrenzung maritimer Einflussgebiete von Küstenstaaten unter Berücksichtigung der Seegebiete von Inseln "sich im Einzelfall kompliziert gestaltet".

Wie verhält sich die EU?

Die EU unterstützt im Gasstreit ihre Mitgliedstaaten Zypern und Griechenland. 2019 verhängte sie gegen Ankara sogar Sanktionen. Nun richtet sich der Blick auf das außerordentliche Treffen der EU-Außenminister am Freitag. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte zuvor an die Türkei appelliert, ihre Aktivitäten im östlichen Mittelmeer zu beenden.

Der Streit wirkt sich auch auf die politischen Beziehungen Ankaras zu Kairo und Jerusalem aus. Diese sind ohnehin seit Jahren angespannt, seit die Türkei aber in den Krieg in Libyen eingreift, sind der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi zu direkten Rivalen in dem militärischen Konflikt geworden. (AFP)