Tausende Israelis protestieren gegen Regierungspolitik in Corona-Krise

Aus Protest gegen das Krisenmanagement der israelischen Regierung in der Corona-Krise sind in Tel Aviv und Jerusalem erneut tausende Menschen auf die Straße gegangen. In Jerusalem versammelten sich am Samstag zahlreiche Menschen vor dem Anwesen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, wie ein AFP-Reporter berichtete. Einige Demonstranten forderten Netanjahus Rücktritt auch wegen der gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe. Der Prozess gegen den Regierungschef wurde am Sonntag fortgesetzt.

Die Polizei ging mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor, nachdem mancherorts Straßen blockiert und Polizisten mit Pfefferspray attackiert worden waren. Nach Angaben von Polizeisprecher Micky Rosenfeld wurden mehrere Menschen festgenommen.

Die israelische Regierung steht derzeit wegen einer zweiten Corona-Infektionswelle massiv in der Kritik. Bereits vergangene Woche hatten tausende Menschen gegen Netanjahus Krisenmanagement demonstriert.

Laut einer Umfrage der Denkfabrik Israel Democracy Institute sind nur 29,5 Prozent der Israelis mit dem Umgang der Regierung mit der Corona-Pandemie zufrieden. Anfang April hatte die Zustimmungsrate noch bei mehr als 57 Prozent gelegen.

Zunächst hatte die israelische Regierung eine großflächige Ausbreitung des Virus verhindert, indem sie Mitte März eine strikte Ausgangssperre verhängt hatte. Ende Mai wurden viele Corona-Einschränkungen aber gelockert, in der Folge schnellten die Infektionszahlen in die Höhe. Am Freitag ordnete die Regierung deshalb eine Reihe erneuter Corona-Maßnahmen an, darunter die Schließung von Geschäften am Wochenende.

Netanjahu hat bereits eingeräumt, die Corona-Maßnahmen zu früh gelockert zu haben. Angesichts der Proteste kündigte er vor kurzem finanzielle Soforthilfen für alle Bürger an. Experten halten dies jedoch für ungeeignet. Sie fordern stattdessen gezielte Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft.

Der Regierungschef steht derzeit auch wegen einer Korruptionsanklage unter erheblichem Druck. Seit Mai muss Netanjahu sich wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit, des Betrugs und der Untreue vor Gericht verantworten.

Bei der zweiten Anhörung an diesem Sonntag legte die vorsitzende Richterin Rivka Friedman-Feldman einen Ablaufplan für das weitere Verfahren vor. Demnach muss Netanjahu dem Gericht seine schriftliche Verteidigung bis spätestens 18. Oktober vorlegen. Im Januar kommenden Jahres sollen dann die Zeugenanhörungen beginnen.

Netanjahu bestreitet sämtliche Vorwürfe, den Prozess bezeichnet er als politisch motivierte "Hexenjagd" seiner Gegner. An der Anhörung am Sonntag nahm der Likud-Chef nicht teil.

Rechtsexperten erwarten einen langen und schwierigen Prozess. Der Juraprofessor Gad Barzilai sagte vergangene Woche vor Journalisten, er rechne mit einer Verzögerungstaktik von Netanjahus Anwälten, indem sie etwa Einsicht in weitere Gerichtsunterlagen verlangen könnten. Ziel der Staatsanwaltschaft sei wiederum, den Prozess "in zwei oder drei Jahren" zu beenden.

Am gravierendsten sind die Vorwürfe gegen Netanjahu in der sogenannten Besek-Affäre. Dabei geht es um Vorwürfe, wonach Netanjahu dem israelischen Telekommunikationsunternehmen Besek rechtliche Vorteile gewährt haben soll - im Gegenzug für eine positive Berichterstattung der zum Konzern gehörenden Nachrichtenwebsite "Walla". Weitere Vorwürfe beziehen sich auf Luxusgeschenke, die Netanjahu und seine Angehörigen von reichen Persönlichkeiten im Gegenzug für finanzielle und persönliche Vorteile angenommen haben sollen. (AFP)