Syriens schwacher starker Mann: Kann sich Assad an der Macht halten?

Vor drei Jahren sah es so, als seien die Tage des Präsidenten Syriens gezählt. Doch mit Hilfe aus Moskau und Teheran konnte er 2015 seine Macht festigen. Zu sicher sollte sich Assad aber nicht fühlen. Von Jan Kuhlmann

Wann immer Baschar al-Assad meint, der Welt etwas mitteilen zu müssen, lässt er sich im Westen interviewen. Für Aufsehen sorgt der Herrscher aus Damaskus damit nur noch selten, denn meistens wiederholt er alt bekannte Botschaften. Im November aber ließ ein Interview Assads dann doch aufhorchen - schließlich erteilte er dem ehrgeizigen Fahrplan der internationalen Gemeinschaft für eine friedliche Lösung des Konflikts eine brüske Absage.

Während die großen Mächte schnell eine Übergangsregierung und Wahlen wollen, erklärte Assad: «Nichts wird beginnen, bevor der Terrorismus nicht besiegt ist.» Was in der Sprache des Regimes heißt: Nichts wird beginnen, bevor nicht alle seine Gegner im Land geschlagen sind.

Assad muss sich wieder sicherer fühlen in diesen Tagen. Vor drei Jahren sah es noch so aus, als seien seine Tage an der Spitze Syriens gezählt. Noch weit ins Jahr 2015 hinein beharrten die Westmächte auf seinen Sturz. Mittlerweile aber erhält Assad so viel Hilfe aus dem Iran und Russland, dass seine Anhänger im Kampf gegen die Rebellen Boden gut machen konnten.

Russlands Präsident Wladimir Putin empfing ihn zu einem Staatsbesuch im Kreml und fühlt sich nach dem Abschuss des russischen Kampfflugzeugs durch die Türken in seiner Treue zu ihm bestärkt. Und auch der Pariser Terror spielt Assad in die Hände, da er plötzlich auch manchen im Westen als Verbündeter gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wieder salonfähig erscheint.

Assad Seite an Seite mit der internationalen Gemeinschaft? Den meisten Gegnern des Regimes dürfte bei diesem Gedanken ein Schauer über den Rücken laufen. Für sie - und auch für viele Regierungen im Westen - ist der 50-Jährige der Mann, der sein Volk vor zwei Jahren mit Giftgas angreifen ließ; der seiner Luftwaffe befiehlt, Zivilisten mit international geächteten Fassbomben anzugreifen; und der vor allem keine friedliche Lösung des blutigen Konflikts will.

«Das Regime hat sich in eine Miliz verwandelt, die nicht an einem politischen Prozess interessiert ist», sagt Luai Hussein, ein prominenter Kritiker der Regierung. Hussein kennt Assad besser als andere, weil er vor seiner Flucht ins Ausland im Frühjahr in Damaskus lebte, wo er zur staatlich geduldeten Opposition gehörte. Assad und seine Mitstreiter bräuchten keine Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mehr, sagt Hussein - sondern nur noch bewaffnete Kräfte.

Dabei war Assad, ein studierter Augenarzt, einst ein Hoffnungsträger. Als er nach dem Tode seines Vaters Hafis im Jahr 2000 an die Macht kam, wehte ein Hauch von Freiheit durch das Land. Syrer wagten während des «Damaszener Frühlings» offene Debatten über die Zustände im Land.

Doch das von zahlreichen Geheimdiensten beherrschte Regime kehrte schnell zur harten Knute zurück. Als 2011 dann im Zuge der arabischen Aufstände auch in Syrien Proteste ausbrachen, setzte Assad - wie einst sein Vater - auf Gewalt als Antwort. Beobachter sind davon überzeugt, dass Assad die Demonstrationen mit etwas politischem Geschick hätte kanalisieren können. Doch es fehle ihm an Führungsqualitäten und Selbstvertrauen, sagt Luai Hussein. Assad sei dumm und gewalttätig. Mittlerweile verlasse er sich nur noch auf einen kleinen Zirkel der Macht.

Engster Vertrauter soll der berüchtigte Geheimdienstchef Ali Mamluk sein. «Er plant, entwirft Programme und legt sie Assad zur Entscheidung vor», sagt Hussein. Als Assad im Kreml seine Aufwartung machte und neben Präsident Wladimir Putin auftrat, wirkte er ein wenig wie ein Schuljunge, der einen auswendig gelernten Text aufsagte. Bislang kann er sich auf Moskau und Teheran verlassen.

«Ohne Russland und den Iran könnte Assad keine vier Wochen an der Macht überleben», sagt ein Diplomat aus dem Westen. Aber werden sie um jeden Preis an ihm festhalten? Die allermeisten Regimegegner jedenfalls werden nur dann einer politischen Lösung zustimmen, wenn Assad gestürzt wird.

Verhandler im Westen hoffen, dass Russland und der Iran ihn unter bestimmten Bedingungen fallen lassen könnten - etwa wenn das Regime an sich intakt bleibt und nur die allerhöchsten Vertreter abtreten müssen. Sollten Moskau und Teheran sich darauf einlassen, müsste sich Assad fügen, ist der westliche Diplomat überzeugt: «Er ist nicht mehr in der Lage, allein zu entscheiden. Sein Spielraum ist gering.» (dpa)