Studie: Türkische Migranten haben starken Integrationswillen

Sport machen, feiern, diskutieren: Der Kontakt zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen wird von Wissenschaftlern stark empfohlen, um Vorurteile abzubauen. Viele türkische Migranten fühlen sich jedoch wegen ihrer Religion ausgegrenzt.

Zuwanderer aus der Türkei sowie ihre Nachkommen haben einer Studie zufolge einen stark ausgeprägten Willen, sich in Deutschland zu integrieren. Mehr als zwei Drittel der Befragten wollten sich «unbedingt und ohne Abstriche» in die deutsche Gesellschaft einfinden, wie aus der Studie «Integration und Religion aus der Sicht von Türkeistämmigen in Deutschland» hervorgeht, die am letzten Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Die überwiegende Mehrheit der Befragten (87 Prozent) fühle sich zudem mit Deutschland verbunden.

Als Bedingungen für eine gelungene Integration nannten mehr als 90 Prozent der Befragten die deutsche Sprache, die Beachtung der hiesigen Gesetze (84 Prozent) sowie gute Kontakte zu Deutschen (76 Prozent). Die deutsche Kultur zu übernehmen, werde als weniger bedeutsam angesehen, erklärten die Wissenschaftler. Nur 39 Prozent seien dieser Ansicht. Auch eine Anpassung des Kleidungsstils spiele nur für ein Drittel eine Rolle.

Trotz des Integrationswillens türkischer Migranten fühlt sich gut die Hälfte der Zuwanderer und ihrer Nachkommen in Deutschland als Bürger zweiter Klasse. Sie hätten den Eindruck, sie seien nicht anerkannt und willkommen, egal wie sehr sie sich anstrengten, sagte der Religionssoziologe Detlef Pollack von der Universität Münster und Leiter der Studie. Politik und Zivilgesellschaft sollten daher «dringend mehr Kontakte zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen fördern», egal ob im Sportverein, in Kirche- oder Moscheegemeinden oder in Bildungshäusern, betonte der Wissenschaftler.

Viele türkische Migranten haben laut der Studie jedoch das Gefühl, ihre Religion verteidigen zu müssen. Während 80 Prozent der Gesamtbevölkerung den Islam mit einer Benachteiligung der Frau assozierten, teilten türkische Migranten diese Ansicht nur zu 20

Prozent. Daneben verbänden mehr zwei Drittel der Mehrheitsgesellschaft den Islam mit Fanatismus und 64 Prozent mit Gewaltbereitschaft. Türkischstämmige sähen in ihrer Religion dagegen vor allem positive Eigenschaften wie Solidarität, Toleranz und Friedfertigkeit.

Zugleich zeigten die Ergebnisse der Umfrage aber auch einen beträchtlichen Anteil an islamisch-fundamentalistischen Einstellungen, die schwer mit den Prinzipien moderner Gesellschaften vereinbar seien, sagte der Religionssoziologe. Etwa die Hälfte der Befragten äußerte die Ansicht, es gebe nur eine wahre Religion. Darüber hinaus hielten 47 Prozent der Befragten die Befolgung der Islam-Gebote für wichtiger als die deutschen Gesetze. Bei einem kleineren Teil der Befragten (13 Prozent) habe sich ein fundamentalistisches Weltbild verfestigt, sagte Pollack.

Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) riet angesichts der Studienergebnisse insgesamt zu einer nüchternen Betrachtung. «Es ist nicht ungewöhnlich, dass religiöse Menschen religiöse Gebote höher bewerten als weltliches Recht», sagte der religionspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion. Hier lohne sich ein Blick auf gesellschaftspolitische Forderungen der katholischen Kirche, wenn es um Sexualaufklärung oder die Ehe für alle gehe.

Zudem sprach er sich für bekenntnisfördernden Islam-Unterricht in allen Bundesländern aus, wie er schon in Nordrhein-Westfalen eingeführt wurde. Zusammen mit einer universitären Ausbildung von Imamen in Deutschland könne dies «einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung von Islam und säkularem Recht leisten», sagte Beck. Für die repräsentative Untersuchung wurden von TNS Emnid im Auftrag des Exzellenzclusters «Religion und Politik» der Universität Münster gut 1.200 Zuwanderer aus der Türkei und ihre Nachkommen ab 16 Jahren telefonisch befragt. (epd)

Hier geht es zur Studie «Integration und Religion aus der Sicht von Türkeistämmigen in Deutschland»