Steinmeier: Religionen müssen Werkzeuge des Friedens sein - Mehr als 900 religiöse Führer beraten am Bodensee über Lösungen für aktuelle Konflikte

In Zeiten, in denen viele Länder nach nationaler Größe streben, machen sich am Bodensee Religionsführer aus aller Welt für Zusammenhalt stark. Der Bundespräsident hält ihre Einbindung bei der Bewältigung von Konflikten für unerlässlich.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht sich dafür aus, religiöse Repräsentanten aus aller Welt stärker in Friedensprozesse einzubinden. «Religionen können als wirkmächtige und belastbare Förderer des Friedens einen unverzichtbaren und auch unersetzbaren Dienst an den Menschen leisten», sagte er am Dienstag in Lindau bei der offiziellen Eröffnung der 10. Weltversammlung von «Religions for Peace» (Religionen für den Frieden). Doch Glaube und Religion könnten auch missbraucht werden: «Als Motivation für im Grunde außerreligiöse Intentionen und politische Ziele.»

Fast tausend Religionsvertreter aus 100 Ländern beraten noch bis Freitag am Bodensee über Lösungen für aktuelle Konflikte. Die Weltversammlung der größten interreligiösen Nichtregierungsorganisation tritt etwa alle fünf Jahre zusammen und findet erstmals in Deutschland statt. Vertreter des Bündnisses waren unter anderem bei den Konflikten in Bosnien-Herzegowina und in Ruanda als Vermittler tätig.

Steinmeier sagte, «Religions for Peace» mache Ernst mit der Überzeugung, dass Religionen kein Anlass mehr sein dürften für Unfrieden und Krieg, sondern dass sie im Gegenteil Werkzeuge des Friedens sein könnten und müssten. Auch wenn es für jede Religion zunächst einmal eine Zumutung bedeute, «sich in eine Reihe mit anderen Religionen zu stellen - und anderen Religionen gleiche Bedeutung und gleichen Wert zuzusprechen». Denn jede Religion habe für sich den Anspruch, wahr zu sein. Aber dieser Wahrheitsanspruch könne und dürfe nur friedlich vertreten werden. Steinmeier betonte, die gemeinsame Botschaft von Lindau müsse sein: «Religion darf niemals Rechtfertigung von Hass und Gewalt sein. Kein Krieg darf geführt werden im Namen der Religion.»

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, bezeichnete das Treffen am Bodensee als «Zeichen der Hoffnung in einer verunsicherten Welt». Mit dieser Versammlung wolle man ein weltweites Zeichen gegen Spaltungen setzen, die zu Hass und Gewalt führten sowie Wege finden zu Frieden, Gerechtigkeit und zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Mitschöpfung, sagte Bedford-Strohm, der auch bayerischer Landesbischof ist. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sagte, in Zeiten der Globalisierung müssten die Religionen Instrumente des Friedens sein.

Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., warb für eine globale Vision. «Wir müssen die Menschheit dazu bewegen, sich für ein weltweites Gemeinwohl einzusetzen», sagte er. «Keiner kann das alleine. Wir brauchen einander.» Bartholomäus, dessen Patriarchat mit Sitz in Istanbul der Ehrenvorsitz der orthodoxen Weltkirche zusteht, forderte, Regierungen, Wissenschaft, Wirtschaft und Religionen müssten zusammenarbeiten.

Scheich Abdullah bin Bayyah aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sagte, dass die Globalisierung zwei Kräfte hervorgebracht habe: Die eine, die darauf dringe, religiöse Identitäten zu zerstören und eine gemeinsame aufzubauen. Die andere, die Gemeinschaften dazu bringe, sich an ihre Sitten und Bräuche zu klammern. Doch werde es keine Zukunft einzelner geben, wenn es nicht eine Zukunft aller gebe. Denn die ganze Menschheit sitze im selben Boot, sagte der Vorsitzende des Forums für die Förderung des Friedens in muslimischen Gesellschaften. (epd)