Soziologin Naika Foroutan: Migranten werden systematisch benachteiligt

In Deutschland werden der deutsch-iranischen Migrationsforscherin Naika Foroutan zufolge vor allem Muslime benachteiligt. Auch wenn viele das Gefühl hätten, tolerant und offen zu sein, sehe die Realität etwa in Schulen und in Unternehmen anders aus, sagte die Soziologin am Donnerstag in Frankfurt am Main. Unter dem Titel «Bembel und Baklava - Zugehörigkeiten in der postmigrantischen Gesellschaft» waren dort Wissenschaftler, Politiker und Pädagogen auf Einladung des hessischen Sozialministeriums zusammengekommen.

Studien zufolge bekommen etwa türkische Schüler bei der gleichen Leistung andere Noten, wie die Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin erklärte. Auch auf dem Arbeitsmarkt hätten Tests ergeben, dass Frauen mit ausländischem Namen oder einem Kopftuch weniger Einladungen für ein Vorstellungsgespräch erhalten.

Es sei Aufgabe der Politik, Integration nicht nur auf Migranten zu beschränken. Auch Ostdeutsche fühlten sich ähnlich wie Muslime als «Bürger zweiter Klasse», sagte die Sozialwissenschaftlerin. Sie forderte, Chancengleichheit als Staatsziel einzuführen. Außerdem sollten Institutionen über eine Quote für Menschen mit Migrationshintergrund nachdenken. «Es ändert sich nicht von alleine», sagte Foroutan mit Blick auf den Kampf um die Frauenquote.

Die Soziologin hatte sich bereits im Oktober dafür ausgesprochen, die Teilhabe an der Gesellschaft nicht nur von Migranten stärker in den Blick zu nehmen. «Wir brauchen eine Integrationspolitik für alle», sagte die Berliner Forscherin der «Frankfurter Rundschau». Daran müsse sich eine moderne Demokratie messen lassen. Das Problem der Teilhabe an der Gesellschaft, der Integration in sie, sei nicht nur eines der neu hinzugekommenen Migranten.

«Der Kernkonflikt in postmigrantischen Gesellschaften dreht sich nur an der Oberfläche um Migration», sagte Foroutan weiter. Tatsächlich gehe es um Anerkennung, Chancengleichheit und Teilhabe. Diese zentralen Güter würden sehr vielen verwehrt, etwa Arbeiterkindern oder Kindern von alleinerziehenden Frauen.

«Ich finde, wir reden zu viel von Migranten», meinte die Soziologin. "Auch wenn kein einziger Migrant mehr hier leben würde, hätten wir Probleme mit dem sozialen Wohnungsbau, mit maroden Schulen, mit entvölkerten Regionen oder mit der Ungleichheit in West und Ost. Es gehe darum, «diesen alles bedeckenden Schleier der Migrationsfrage zur Seite zu schieben» und die Gesellschaft dahinter in den Blick zu nehmen. (epd/KNA)