Sorge vor weiterer Gewalt nach Protesten in Libyen

Libyen ist gezeichnet vom Bürgerkrieg, wieder ringen zwei verfeindete Regierungen um die Macht. Mit brennenden Autoreifen machen Demonstranten ihrem Unmut Luft. Sie sehen die immer noch ausstehende Wahl als einzigen Weg aus der Sackgasse.



Tripolis. In Libyen wächst nach massiven Protesten gegen soziale Missstände und politischen Stillstand die Sorge vor weiterer Gewalt. Über das Wochenende kam es in dem nordafrikanischen Bürgerkriegsland zu Auseinandersetzungen in der Hauptstadt Tripolis und mehreren anderen Städten. In der Nacht zum Sonntag zogen vor allem junge Menschen durch Tripoli. Einige zündeten Autoreifen an.



Zu ihren Forderungen gehören baldige Wahlen, eine bessere Stromversorgung und niedrigere Brotpreise. Am Freitagabend gab es Proteste in in den Städten Tobruk, Misrata, Sirte, Bengasi und Sabha. In Tobruk im Osten griffen Demonstranten nach Augenzeugenberichten das Parlament an, warfen Steine und legten Feuer. In sozialen Medien war das Video eines Bulldozers zu sehen, der ein Tor des Parlaments rammt. Libysche Medien veröffentlichten ein Foto des beschädigten Gebäudes mit Brandspuren.



UN-Generalsekretär António Guterres ließ mitteilen, Demonstranten müssten von Gewalt absehen. Die Sicherheitskräfte sollten sich zurückhalten. Die UN-Sonderberaterin für Libyen, Stephanie Williams, appellierte ebenfalls an alle Beteiligten, Ruhe zu bewahren.



Gewaltakte wie die Stürmung des Parlaments seien «völlig inakzeptabel». Angesichts einer «fragilen Lage» mahnte der EU-Botschafter in Libyen, José Sabadell, ebenfalls zu Zurückhaltung.



Die Nachrichtenseite Al-Wasat berichtete von einem «Freitag des Zorns» - eine Anspielung auf das Motto «Tag des Zorns», unter dem Gegner von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 auf die Straße gegangen waren. Nach der gewaltsamen Niederschlagung dieser Proteste und dem Sturz Gaddafis brach in dem ölreichen Land ein Bürgerkrieg aus. Bis heute ringen unzählige Milizen um Einfluss. Befeuert wird der Konflikt von anderen Staaten, darunter Russland und der Türkei.



Libyen ist gezeichnet von Jahren des Bürgerkriegs, die öffentliche Versorgung ist sehr schlecht. Die Demonstranten fordern eine Auflösung der beiden um die Macht ringenden Regierungen und Wahlen.



Eine landesweite Wahl sollte eigentlich im Dezember stattfinden, scheiterte aber unter anderem am Streit über die Zulassung von Kandidaten und verfassungsrechtliche Grundlagen.



UN-Sonderberaterin Williams versuchte zuletzt, neue Gespräche der verfeindeten Lager in Kairo und Genf über die Verfassung voranzubringen. Trotz einiger Fortschritte befinden sich die Konfliktparteien aus Sicht von UN-Generalsekretär Guterres in einer «politischen Sackgasse». In Libyen ringen die Regierungen um Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba sowie Ex-Innenminister Fathi Baschaga seit Monaten um die Macht. (dpa)