Schweizer stimmen mit knapper Mehrheit für Verhüllungsverbot

Genf. Die Schweizer haben mit knapper Mehrheit für ein Verhüllungsverbot in der Öffentlichkeit gestimmt. Wie die Regierung in Bern am Sonntagabend erklärte, gab es bei dem Referendum 51,2 Prozent für den Vorstoß, der vor allem auf muslimische Nikab- und Burka-Trägerinnen abzielt. Damit schließt sich die Schweiz den Ländern Frankreich, Österreich, Bulgarien, Belgien und Dänemark an, in denen eine Vollverschleierung verboten ist.



Um angenommen zu werden, mussten sowohl die Mehrheit der Abstimmenden als auch die Mehrheit der 26 Kantone der Initiative zustimmen. Die Beteiligung an dem Referendum lag bei 50,8 Prozent.



Ausgegangen war die Initiative vom rechtskonservativen "Egerkinger Komitee", das der Schweizer Volkspartei (SVP) nahesteht. Obwohl sie in dem Vorstoß nicht explizit erwähnt werden, richtet sich die Initiative vor allem gegen die muslimischen Kopfverhüllungen Burka und Nikab. In der Schweizer Öffentlichkeit war auch schlicht von einer Initiative für ein "Burka-Verbot" die Rede.



SVP-Chef Marco Chiesa begrüßte das Abstimmungsergebnis. Die Zustimmung zu der Volksinitiative sei ein klares Zeichen gegen den "radikalen Islam", sagte er in der Sendung Blick.tv.



Bei den Wahlaufrufen für ein Ja war unter mit dem Slogan "Stoppt den radikalen Islam!" geworben worden. In der Gegenkampagne wurde die Initiative als "absurd", "überflüssig" und "islamfeindlich" bezeichnet. Gegner der Initiative kritisieren, dass das Tragen von Burka und Nikab in der Schweiz kaum verbreitet ist. Auch die Regierung und das Parlament in Bern lehnten die aus ihrer Sicht unnötige Initiative ab.



Es gebe nur wenige Dutzend Burka- oder Nikab-Trägerinnen in der Schweiz - und die meisten von ihnen seien Touristinnen oder Konvertitinnen, sagte etwa die feministische Aktivistin Myriam Mastour am Sonntag im Sender RTS, bevor das Abstimmungsergebnis vorlag. Sie warnte vor einer "Trivialisierung der fremdenfeindlichen und rassistischen Atmosphäre" gegenüber Muslimen im Land durch ein Verhüllungsverbot.



Dem widersprach Jean-Luc Addor, der bei der Abstimmung mit "Ja" gestimmt hatte. Die Initiative stelle religiöse Praktiken von Muslimen nicht infrage, sagte Addor, der auch Mitglied der SVP ist, der Nachrichtenagentur AFP. Vielmehr gehe es darum, "die Werte unserer Zivilisation" zu verteidigen.



Als "Erleichterung" bezeichnete auch der Berner Kantonspolitiker und Gründer der Kampagne "Face uncovered", Mohamed Hamdaoui, das Abstimmungsergebnis. Die Abstimmung sei eine Gelegenheit, "dem Islamismus Einhalt zu gebieten" und nicht "den Muslimen, die offensichtlich ihren rechtmäßigen Platz in diesem Land haben".



Einer statistischen Erhebung des Jahres 2019 zufolge sind etwa 5,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung Muslime. Die meisten von ihnen haben Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien.



In zwei Schweizer Kantonen gibt es bereits ein Verhüllungsverbot. Auch in landesweiten Abstimmungen ist der Umgang mit dem Islam immer wieder Thema. 2009 stimmten die Schweizer mehrheitlich dafür, den Bau von Minaretten zu verbieten. Dies hatte in zahlreichen arabischen Ländern Empörung ausgelöst.



Am Sonntag stimmten die Schweizer auch über zwei weitere Initiativen ab. Mit 51,7 Prozent der Stimmen knapp angenommen wurde ein Palmöl-Handelsabkommen mit Indonesien. Deutliche Ablehnung erfuhr dagegen eine von der Regierung geplante elektronische Identität: Knapp 64,4 Prozent stimmten gegen das Vorhaben. (AFP)