Rohingya sollen zurück nach Myanmar: Wollen sie das?

Es ist laut UN die am schnellsten wachsende humanitäre Krise der Welt. Nun könnte sie bald vorbei sein: Myanmar will die Rohingya, die zu Hunderttausenden nach Bangladesch geflohen waren, wieder aufnehmen. Es gibt allerdings einige offene Fragen. Von Nick Kaiser

Drei Monate nach Beginn ihrer Massenflucht nach Bangladesch sollen die Rohingya nach Myanmar zurückkehren. Die beiden Länder unterschrieben nach Mitteilungen beider Seiten am Donnerstag eine Vereinbarung über die Rückführung der Flüchtlinge. Einige Fragen blieben dabei offen, etwa: Was ist, wenn die Rohingya nicht zurück wollen?

Die Vereinbarung wurde nach zweitägigen Verhandlungen von Bangladeschs Außenminister Abul Hassan Mahmood Ali und U Kyaw Tint Swe, Minister im Büro von Myanmars de-facto Regierungschefin Aung San Suu Kyi, in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw unterzeichnet. Nach Angaben des Büros von Suu Kyi sollen die Rückkehrer «systematisch überprüft» werden.

Eine weitere Frage lautet: Nimmt das ehemalige Birma die Menschen tatsächlich auf, die es seit Jahrzehnten diskriminiert, und denen es die Staatsbürgerschaft verweigert? In den Mitteilungen ist von einer Rückkehr Vertriebener aus Rakhine die Rede - dem Bundesstaat, aus dem die Rohingya stammen. Das Wort «Rakhine» kommt nicht vor, denn Myanmar benutzt es grundsätzlich nicht. Das mehrheitlich buddhistische Land bezeichnet die Angehörigen der muslimischen Minderheit als illegale Einwanderer und «Bengalen» - um zu suggerieren, sie kämen aus Bangladesch.

Denkbar ist, dass Myanmar die meisten Flüchtlinge letztlich nicht aufnimmt, weil sie nicht beweisen können, dass sie aus Rakhine stammen. Viele Organisationen und Regierungen - darunter die Vereinten Nationen und neuerdings auch die USA - werfen Myanmar eine «ethnische Säuberung» an den Rohingya vor, also eine gewaltsame, systematische Vertreibung. Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge wurden Landminen entlang der Grenze zu Bangladesch vergraben, um die Rückkehr der Flüchtlinge zu verhindern.

Gut eine Million Rohingya lebten bis vor wenigen Monaten in Rakhine. Ihnen wurden viele Rechte verweigert - etwa der Zugang zu Bildung und zur Gesundheitsversorgung. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International nannte ihre Behandlung kürzlich «Apartheid». Dann griffen am 25. August Rohingya-Rebellen rund 30 Posten der Sicherheitskräfte an. Es begann sofort eine brutale Reaktion der Armee, die von einer «Räumungsoperation» sprach. Rohingya-Flüchtlinge erzählen von niedergebrannten Dörfern, Morden an Kindern und Vergewaltigungen. Die Angaben lassen sich wegen fehlenden Zugangs zu Rakhine nicht unabhängig bestätigen.

Mehr als 600.000 Rohingya flohen seitdem nach Bangladesch. In und um die überfüllten Lagern im südbangladeschischen Bezirk Cox's Bazar herrschen katastrophale Zustände. Es fehlt an Essen, sauberem Wasser und medizinischer Versorgung. Die dort arbeitenden Hilfsorganisationen warnen vor dem Ausbruch gefährlicher Krankheiten wie Cholera. Vor der jüngsten Massenflucht lebten bereits etwa 300.000 Rohingya, die vor früheren Gewaltwellen geflohen waren, in Cox's Bazar.

Der Mitteilung des Außenministeriums von Bangladesch zufolge soll die Rückführung in zwei Monaten beginnen. Unklar bleibt, was mit Flüchtlingen geschieht, die eine Rückkehr verweigern. Werden sie abgeschoben? Bangladesch gehört nicht zu den Unterzeichnern der Genfer Flüchtlingskonvention, die die Rückführung von Asylsuchenden in Gegenden verbietet, in denen ihnen Verfolgung droht. Amnesty International berichtete kürzlich, viele Rohingya wollten durchaus zurückkehren - aber nur mit den Rechten von Staatsbürgern und unter würdevoller Behandlung.

Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi wird im Ausland in der Rohingya-Krise international scharf kritisiert, weil sie die Armee gewähren lasse. Die ehemalige Freiheitskämpferin gegen die Jahrzehnte herrschende Militärjunta ist in ihrem Land aber beliebt. Ein Großteil der Bevölkerung hält das Vorgehen gegen die Rohingya für einen legitimen Kampf gegen Terroristen. Zudem hat das Militär sechs Jahre nach Ende der Diktatur noch immer viel Macht und mehrere wichtige Ministerien inne. Beobachter sagen deshalb, nur Armeechef Min Aung Hlaing könne die Gewalt gegen die Rohingya stoppen.

Mit ihm war kurzfristig ein privates Treffen mit Papst Franziskus bei dessen Besuch ab Montag anberaumt worden. Anschließend reist der Papst auch nach Bangladesch. Ob die Vereinbarung damit in Zusammenhang steht, ist ebenfalls eine offene Frage. (dpa)

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