Rohingya in Bangladesch - Flüchtlingskrise stürzt Myanmars Nachbarland in ein Dilemma

Die Menschen in Bangladesch haben fast 700.000 Rohingya, die vor dem Militär Myanmars fliehen mussten, großherzig aufgenommen. Doch die Flüchtlingskrise zieht sich hin. Und die Folgen spüren vor allem arme Bangladescher. Von Nicola Glass

Dem Inhaber eines kleinen Ladens in der Stadt Cox's Bazar in Bangladesch sieht man die zwiespältigen Gefühle an: «Es ist richtig, dass wir ihnen helfen, aber irgendwann müssen sie auch wieder zurückgehen», sagt Ahmed Rashid. Er spricht über die Rohingya, die knapp eineinhalb Autostunden von der Stadt entfernt in einem der weltweit größten Flüchtlingslager leben.

Entlang des Weges zelebriert die Regierung ihre Willkommenskultur: Alle paar Kilometer prangt ein Transparent in den Bäumen mit Konterfeis der Premierministerin, mit lobenden Worten wie «Sheikh Hasina - Mutter der Menschlichkeit» oder «Sheikh Hasina - Verfechterin des globalen Friedens». Zugleich wird darauf verwiesen, dass Bangladesch als eines der ärmsten Länder der Welt mehr als eine Million Rohingya-Flüchtlinge aufgenommen hat. Die Rohingya sind Muslime, und Bangladesch ist ein islamischer Staat.

Schon vor Jahrzehnten waren Hunderttausende Rohingya vor Gewalt und Diskriminierung aus dem buddhistisch geprägten Myanmar geflohen. Seit Ende August sind fast 700.000 Männer, Frauen und Kinder neu hinzu gekommen, als Myanmars Armee nach Überfällen der Rohingya-Miliz Arsa einen neuen Feldzug gegen sämtliche Angehörige der muslimischen Volksgruppe begann. Ein Rückführungsabkommen zwischen beiden Ländern gilt als nicht realisierbar.

Je länger die Krise dauert, desto mehr stellt sie vor allem arme Bangladescher vor ein Dilemma. Die Bewohner sagten, es sei selbstverständlich gewesen, die erschöpften und ausgezehrten Rohingya mit Essen und Unterkünften zu versorgen, noch bevor die internationale Hilfe anlief. Viele wollen sich auch weiterhin engagieren: «Doch unsere Ressourcen sind begrenzt», mahnen sie.

Zum einen geht es um die Umwelt: Ein bedeutender Teil jenes Areals, auf dem sich heute die Flüchtlingscamps befinden, war zuvor Wald - nach Behördenangaben wurden umgerechnet über 1.600 Hektar abgeholzt. In der bevorstehenden Regenzeit bedeutet das sowohl für Rohingya als auch für Einheimische, dass sie zunehmend Schlammlawinen und Erdrutschen ausgesetzt sind.

Dass die Spannungen zunehmen, steht auch in Berichten des UN-Entwicklungsprogramms UNDP und der Behörden in Cox's Bazar vom Dezember und Januar. So machen den einheimischen Frauen und Männer vor allem steigende Preise für Kartoffeln, Fisch oder Gemüse zu schaffen. Manche Familie musste bereits Nutztiere verkaufen oder einen Kredit aufnehmen.

Zudem konkurrieren Flüchtlinge mit Einheimischen um ohnehin schlecht bezahlte Jobs. So verdingten sich die Rohingya als Tagelöhner zu einem Bruchteil des üblichen Geldes: «Es muss dringend gehandelt werden, um die zumeist armen Gemeinden zu unterstützen, die durch diese Krise besonders belastet sind», heißt es in einem UN-Bericht. Von internationaler Seite wird erklärt, dass auch Hilfen für bedürftige Bürger Bangladeschs bereit gestellt werden. Die Rohingya selbst müssen in Bangladesch irgendwie überleben.

Sabbir Ahmed kam bereits 1991 hier an und gehört damit zu den «Langzeit-Flüchtlingen». Er schlägt sich vor allem als Tagelöhner durch, für 200 oder 300 Taka (knapp zwei oder drei Euro). Er hat eine Frau sowie drei Töchter und fünf Söhne, einige seiner Kinder wurden im Flüchtlingslager geboren. «Immer wieder haben wir gehofft, dass sich die Situation in Myanmar verbessert und wir zurückkehren können», sagt Ahmed. Doch die Entwicklungen 2017 seien so schockierend gewesen, dass die Zukunft der Rohingya ungewisser sei denn je.

Auch Andrew Gilmour, stellvertretender UN-Generalsekretär für Menschenrechte, spricht von anhaltender systematischer Gewalt gegen die Rohingya in Myanmar. Geändert habe sich höchstens die Art der Gräuel, «vom wahnsinnigen Blutvergießen und den Massenvergewaltigungen im vergangenen Jahr zu einer Kampagne von niedrigerer Intensität des Terrors und des Aushungerns», sagte der UN-Vertreter nach einem Besuch in Cox's Bazar. «Myanmars Regierung ist eifrig dabei, der Welt zu erzählen, dass sie bereit sei, Rückkehrer zu empfangen, während ihre Truppen die Rohingya weiterhin nach Bangladesch treiben.» (epd)