Religionssoziologe Rauf Ceylan warnt vor Debatte über Verfassungstreue der Flüchtlinge

Der Religionssoziologe Rauf Ceylan hat davor gewarnt, die Verfassungstreue muslimischer Flüchtlinge anzuzweifeln. Die in Deutschland Schutz suchenden Menschen dürften nicht pauschal unter den Generalverdacht des islamischen Fundamentalismus gestellt werden, sagte Ceylan dem Evangelischen Pressedienst. Dies verschärfe die gegenwärtige Situation, die durch die großen Zuwandererzahlen ohnehin schon schwierig sei, nur unnötig. «Woher wissen wir denn, dass die Muslime, die zu uns kommen, das Grundgesetz nicht achten wollen?»

Niemand könne sich in seiner Einschätzung auf konkrete Zahlen oder Fakten stützen, betonte der Vizedirektor des Instituts für Islamische Theologie in Osnabrück. Es sei wenig hilfreich, wenn Menschen wie die Polizistin Tania Kambouri in den Medien ihre Einzelerfahrungen ausbreiteten. «Die Menschen, die bei uns Schutz suchen, sind vor Diktaturen geflüchtet und haben sich Europa gezielt aussucht. Warum sollten sie dann nicht bereit sein, die Demokratie zu achten?»

Konflikte in überfüllten Lagern hätten in der Regel nichts mit Religion zu tun, sagte Ceylan. Einige Scharfmacher etwa aus der «Pegida»-Bewegung nutzten die Situation, um Islam- und Fremdenfeindlichkeit zu schüren. «Es geht denen immer um das gleiche, nämlich die Abschottung Deutschlands. Die Frage ist aber längst entschieden: Die Flüchtlinge sind da.»

Die Menschen in Deutschland und Europa projizierten viele ihrer Ängste auf die Zuwanderer. Der ganze Kontinent befinde sich in einem großen Veränderungsprozess, der Unsicherheiten auslöse, erläuterte der Experte: Die jungen Generationen wendeten sich von den Traditionen und von den Kirchen ab. Es drohe eine Überalterung. Die EU habe mit massiven wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. «Die Menschen fürchten, ihren sozialen Status zu verlieren und versuchen sich gegen andere, noch nicht etablierte Gruppen abzugrenzen.» Das seien Prozesse, die in allen Gesellschaften zu beobachten seien.

Sinnvoll könne dem nur mit Aufklärung begegnet werden. Die Politik müsse objektiv über Zuwanderung informieren und die positiven Aspekte herausstellen, forderte Ceylan. Darüber hinaus müsse investiert werden in Hilfen zur Integration und zur Chancengleichheit. «Integration ist nach wie vor kein Selbstläufer.» Daran könnten sich sowohl die christlichen Kirchen als auch die muslimischen Moscheegemeinden mit sozialen Angeboten beteiligen. (epd)