Religionen, Politik und das Coronavirus in Asien

Angst und Unsicherheit treiben die Menschen auf der Suche nach Trost in Kirchen, Moscheen und Tempel - obwohl Sozialkontakte als Infektionsquelle verpönt sind. Aber haben das die Religionen schon wirklich verstanden?

Religiöse Führer in Asien sind bei der bedingungslosen Schließung von Gotteshäusern und religiösen Veranstaltungen zögerlich. In Singapur und mehr noch etwa in Südkorea haben sich protestantisch-evangelikale Gemeinden als Corona-Hotspots erwiesen.

In Malaysia infizierten sich Ende Februar viele von 16.000 Muslimen, die an einer internationalen islamischen Massenveranstaltung in einer Moschee in Kuala Lumpur teilnahmen. Zwei Drittel der bislang 840 bestätigten Corona-Fälle in Malaysia wurden bei einheimischen Pilgern diagnostiziert. Auch ein guter Teil der Neuinfektionen in Brunei, Kambodscha, Thailand, Indonesien, Kambodscha, Vietnam und den Philippinen wurde von Teilnehmern der Veranstaltung eingeschleppt.

In Pakistan sind viele der von einer Pilgerfahrt zu einem Heiligtum im Iran zurückgekehrten gut 3.000 Muslime mit Covid-19 infiziert. Ebenfalls in Pakistan weigerte sich die einflussreiche orthodox-sunnitische Bewegung der Barelvi, eine für das Wochenende geplante Konferenz abzusagen. Ein Kleriker der Barelvi sagte: "Keiner wird krank, wenn Gott es nicht will."

In vielen asiatischen Ländern erweist sich die enge Verbindung von Religion und Politik als Problem. Von Malaysia über Indonesien, Myanmar, Sri Lanka, Indien bis nach Pakistan ist die jeweilige Religion integrale Zutat eines nationalistischen Populismus der regierenden Parteien. Das macht es den vom Wohlwollen religiöser Hardliner abhängigen Machthabern schwer, Gotteshäuser zu schließen und religiöse Veranstaltungen abzusagen. Zum indischen Neujahrsfest hatte Indiens hindu-nationalistischer Premierminister Narendra Modi den Bürgern nur "geraten", sich von den Massenfeiern zu Holi fernzuhalten.

Die neue buddhistisch-nationalistische Regierung Sri Lankas sagt dem Virus mit einer buddhistischen Gebetswoche in den Tempeln den Kampf an. Obwohl inzwischen die katholischen Bischöfe in asiatischen Ländern die Gottesdienste, auch während der Karwoche und Ostern, abgesagt haben, lassen viele die Kirchen für Gebete von Individualbesuchern offen.

Das höchste theologische Gremium des mehrheitlich muslimischen Indonesien erließ eine Fatwa (islamischer Richtspruch), nach der Freitagsgebete nur in den Moscheen von besonders von Corona betroffenen Gebieten ausfallen. Damit ist der größte Teil des Landes einstweilen aus dem Schneider - bis die ersten Infektionsfälle auftauchen.

Unterschwellig lauert in asiatischen Ländern zudem das gefährliche Virus der Schuldzuweisungen an Religionen oder bestimmte ethnische Gruppen für die Verbreitung von Corona. Regierungen wie die malaiisch-islamische in Malaysia, die erst vor wenigen Wochen durch einen politischen Staatsstreich an die Macht gekommen war, oder die stramm islamfeindliche Indische Volkspartei Modis machen bislang keine gute Figur bei der Covid-19-Bekämpfung. Experten befürchten, sie könnten zur Ablenkung von ihrem eigenen Versagen ihre Propaganda gegen ethnische und religiöse Minderheiten verstärken.

Dennoch scheint niemand derzeit zu wagen, das potenziell gefährliche Gemisch von Religion, Politik und Corona anzusprechen. Interviewanfragen der Katholischen Nachrichten-Agentur an die Weltgesundheitsorganisation WHO in Neu Delhi liefen ebenso ins Leere wie die an die Vertretung der UN-Menschenrechtskommission in Bangkok.

Weitgehend unkommentiert blieb auch eine von Sri Lankas Kardinal Malcolm Ranjith verbreitete virale Verschwörungstheorie. "Mächtigen Ländern" warf der katholische Erzbischof von Colombo vor, durch "geheime Experimente mit der Natur" das Coronavirus geschaffen zu haben.

Am 2. April feiern die Hindus das Fest des Gottes Rama. Mit Palmsonntag am 5. April beginnt die Karwoche der Christen, die im Osterfest gipfelt; am 13. April steht ebenfalls das Fest Vaisakhi der Sikhs an. Zehn Tage darauf beginnt dann der islamische Fastenmonat Ramadan. Das abendliche Fastenbrechen ist gewöhnlich ein großes Fest für die gesamte Großfamilie. Der April wird also ein echter Corona-Stresstest für Asiens Religionen. (KNA