Reformen gegen Rote Zahlen - Saudi-Arabien braucht Geld für Wirtschaftsumbau

Angesichts eines Milliarden-Defizits wollen sich die Saudis nicht mehr aufs Öl verlassen. Doch für den Umbau der Wirtschaft ist frisches Geld nötig. Das soll vom größten Börsengang der Geschichte kommen. Auch das luxuriöseste Gefängnis der Welt spielt eine Rolle. Von Benno Schwinghammer

Als Saudi-Arabien Ende 2015 den Staatshaushalt des abgelaufenen Jahres präsentierte, wurde auch dem Letzten klar: Das Geschäftsmodell der Scheichs ist am Ende. Der Verkauf von Öl machte Riad reich - und abhängig. Als der Preis für das «schwarze Gold» in den Keller ging, riss das ein Loch ins Budget. Seitdem ist der Haushalt in den Miesen. Trotz und gerade wegen großer Reformvorhaben ist das Land aber weiter auf den endlichen Rohstoff angewiesen.

Das Finanzministerium in Riad verkündete nun eigentlich gute Zahlen: Das deutliche Defizit ist seit dem Vorjahr von 12,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf noch 8,9 Prozent gesunken. «Die Regierung des Königreichs ist trotz schwieriger internationaler Bedingungen auf dem richtigen Weg», zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Spa den ranghohen Ministeriumsmitarbeiter Jarub bin Abdullah al-Thunajan.

Das staatliche Geld sei wesentlich gezielter eingesetzt worden, so der Offizielle. Ein wichtiger Grund für die positive Entwicklung scheinen dabei allerdings auch Mehreinnahmen aus dem Öl-Verkauf zu sein. Der Preis des Rohstoffs hatte sich zuletzt bei mehr als 50 Dollar pro Barrel (159 Liter) stabilisiert.

Riad sieht das geringere Defizit vielmehr als Frucht seiner weitreichenden Reformen. Das Zauberwort heißt seit April 2016 «Vision 2030»: Der Wirtschaftsumbau, um das G20-Land unabhängiger vom Öl zu machen. Saudi-Arabien soll mit dem Programm ein moderner Wirtschaftsstandort werden, seinen Markt für ausländische Investoren öffnen und auf neue Technologien setzen. König Salman sagte im Staatsfernsehen am Dienstag: «Wir werden die Entwicklung fortsetzen, um die «Vision 2013» des Königreichs zu erreichen.»

Das kostet aber viel Geld. Der Investmentfonds, mit dem auch die Zukunftsstadt «Neom» am Roten Meer finanziert werden soll, soll einen Umfang von umgerechnet rund 1,7 Billionen Euro erreichen - vergleichbar mit der jährlichen Wirtschaftsleistung von Italien. Klar, dass die riesigen Investitionen auch auf den großen Geldbeutel der Saudis drücken. Riad braucht frisches Geld.

Dafür soll die staatliche Ölfirma des weltweit größten Öl-Exporteurs teilweise an der Börse verkauft werden. Da der Konzern Aramco das wohl wertvollste Unternehmen der Welt ist, hoffen die Saudis für fünf Prozent der Anteile auf Einnahmen von 100 Milliarden US-Dollar (85 Milliarden Euro). Es wäre bei weitem der größte Börsengang der Geschichte, dessen Einnahmen in neue Wirtschaftszweige investiert werden sollen.

Doch Analysten werden zunehmend ungeduldig angesichts des wackeligen Zeitplans. Denn obwohl der Verkauf schon 2018 über die Bühne gehen soll, gibt es etwa noch immer keine Ankündigung, an welche Börse Riad gehen will. Die Scheichs stecken dabei in einem Dilemma: Sie wollen das finanzielle Potenzial der Wall Street, aber zugleich die laxere Regulierung von Hongkong. Und die eigene Börse ist zu klein. Eine andere Variante scheint möglich: Ein Privatverkauf an der Börse vorbei.

Um Geld in die Kasse zu spülen, kommt dem Königshaus auch eine andere, eher unkonventionelle Maßnahme zugute. So gilt das Hotel Ritz-Carlton, eine der besten Adressen in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad, seit Anfang November als luxuriösestes Gefängnis der Welt. Mehr als 100 saudische Prinzen, ranghohe Würdenträger und reiche Geschäftsleute werden dort festgehalten - die Regierung wirft ihnen Korruption vorwirft.

«Wir sind entschlossen, die Korruption mit Gottes Hilfe fair und entschlossen zu bekämpfen», sagte König Salman noch vor einer Woche. Dieser Entschlossenheit beugte sich Berichten zufolge unter anderem Prinz Miteb bin Abdullah, einer der einflussreichsten Festgenommenen.

Eine Milliarde Dollar soll er als «Ausgleich» bezahlt haben, um das Palasthotel verlassen zu können. Der Staat könnte auf diese Weise weitere Dutzende Milliarden einnehmen. Eine sicherlich hilfreiche Summe, um den Staatshaushalt weiter zu sanieren. (dpa)

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