
Rechtsextremismus und Islamophobie in DeutschlandEin politisches Signal setzen
Im Schatten des 11. Septembers konnte in Deutschland ein neuer rechtsgerichteter "homegrown"-Terrorismus entstehen. Selbst eigens geschaffene Antiterrorgesetze griffen nicht mehr, weil man den Rechtsradikalismus zu lange unterschätzt und bisweilen auch strukturell verdrängt hatte.
Nach dem brutalen rechtsextremistischen Terror in Norwegen zeigte sich schließlich auch in Deutschland, dass rechte Terroristen zu den wohl schlimmsten Anschlägen seit dem 2. Weltkrieg in der Lage sind. Dies hat denn auch den Generalbundesanwalt zu der Aussage veranlasst, der NSU-Terror markiere "den 11.September Deutschlands".
Anzeichen für diese bedrohliche Entwicklung hatte es zuvor bereits genug gegeben. Nur hatte man die Gefahr nicht richtig gedeutet und bisweilen auch verdrängt.
Erst jetzt beginnen wir langsam zu begreifen, dass diese Entwicklung durch die Gleichgültigkeit und politische Inkonsequenz nach den Ereignissen von Rostock und Hoyerswerda, Solingen und Mölln, nach dem Brandanschlag in Ludwigshafen und dem Attentat in der Kölner Keupstrasse bis hin zu den vielen rassistischen Morden, wie z.B. an Marwa El-Sherbini, den NSU-Terror begünstigt und gestärkt hatte.
Mindestens 148 Menschen sind in den letzten Jahren in Deutschland durch rassistische und rechtsextreme Gewalt ums Leben gekommen. Es wird daher Zeit, dass Politik und Gesellschaft sich endlich ihre bisherige Unterschätzung und Verharmlosung des rechtsextremen Gewaltphänomens eingestehen und nun nachhaltig dagegen vorgehen.
Profiteure der Islamophobie
Neonazis haben in den vergangenen Jahren in Europa verstärkt von der islamfeindlichen Grundstimmung in der Gesellschaft profitiert – angefangen bei Gert Wilders rechtspopulistischer "Partei für die Freiheit" in Holland, der NPD, der NSU und der rechtsextremen Website "PI", um hier nur einige Beispiele zu nennen. Die Islamangst und das Gespenst der Islamisierung Europas machen die Runde und werden als Eintrittskarte benutzt, um Anhänger zu rekrutieren und Stimmung gegen Juden, Muslime und Andersdenkende zu machen.
Der verurteile Terrorist Breivik hat sich – ähnlich wie der Mörder der Ägypterin Marwa El-Sherbini – weitestgehend durch islamfeindliche Propaganda im Internet verleiten lassen, darunter auch durch einschlägig bekannte rechtsradikale Webseiten und Pamphlete von bekannten Islamhassern aus Deutschland. Doch bisher werden diese Erkenntnisse vom Verfassungsschutz nur sehr vage erfasst.
Ein NPD-Verbot, so deutlich wir das auch unterstützen, darf zu keiner "Entlastungsdebatte" führen. Nach dem Motto: Wenn erst einmal die NPD verboten wird, ist damit auch der Rassismus beseitigt. Dies wäre eine gefährliche Verharmlosung, die nur dazu führt, die Augen vor dem alltäglichen und strukturellen Rassismus in der Mitte unserer Gesellschaft zu verschließen.
Deswegen brauchen wir einen jährlichen Anti-Rassismusbericht, in dem – ähnlich wie im Bericht des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesrepublik – die fortschrittlichen Entwicklungen, aber auch die anhaltenden Gefahren dem Bundestag und der Öffentlichkeit vorgestellt werden, um daraus gesellschaftspolitische Konsequenzen zu ziehen.
Islamfeindlichkeit als Tatbestand des Rassismus
Vor allem aber müsste endlich der politische Mut aufgebracht werden, die Islamfeindlichkeit und den islamfeindlichen Rassismus bei den Wurzeln zu packen und sie als offiziellen Tatbestand des Rassismus zu werten. Dies sind wir nicht zuletzt den Opfern schuldig. Denn Straf- und Gewalttaten gegen Muslime und Moscheebauten haben in den letzten Jahren in Deutschland drastisch zugenommen. Doch weiterhin weigern sich die Bundesregierung und die Sicherheitsbehörden, solche Straftaten gesondert zu erfassen.
Doch wird damit die Dimension der Islamfeindlichkeit verschleiert. Bereits im Rahmen eines Treffens von Spitzenverbänden mit dem Innen- sowie Familienministerium gegen Rechtsextremismus forderte der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) vor genau einem Jahr, dass Islamfeindlichkeit als eigenständiger Tatbestand erfasst werden müsste und nicht mehr allein unter die Bezeichnung Fremdenfeindlichkeit fallen dürfe.
Dies muss nun endlich Gehör finden, zumal es nicht nur einen faktischen Vorteil bedeutet, dass solche Straftaten zukünftig besser bekämpft werden können, sondern auch, dass damit ein dringend benötigter gesellschaftlicher Bewusstseinswandel eingeleitet werden könnte.
Gesellschaftliche Risse
Wenn wir nicht bald die Gefahren des Rechtsextremismus und er Islamophobie in unserer Gesellschaft erkennen und etwas dagegen unternehmen, wird genau das passieren, wovor Angela Merkel vor knapp einem Jahr anlässlich der Gedenkveranstaltung für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt gewarnt hat: "Wir verdrängen, was mitten unter uns geschieht (…) Gleichgültigkeit hat eine schleichende, aber verheerende Wirkung. Sie treibt Risse mitten durch unsere Gesellschaft", sagte die Kanzlerin.
Weil aber erste Anzeichen dieser Risse nicht mehr zu übersehen sind, machen wir uns nicht zuletzt als deutsche Muslime große Sorgen um unser Land. Denn diese Gleichgültigkeit hinterlässt nicht nur Opfer ohne Namen und Gesichter.
Was fast genauso schwer wiegt, ist die Gleichgültigkeit, die die Stimmen jener erstickt, die die Mehrheit stellen: die Mehrheit der Anständigen in unserem Land, in Zivilgesellschaft, Politik, Medien und Behörden. Geben wir also all jenen wieder ihre Stimme zurück und hoffen wir, dass das Jahr 2013 das Zusammenwachsen unserer Gesellschaft wieder fördert und die entstandenen Risse kittet.
Aiman Mazyek
© Qantara.de 2013
Aiman Mazyek ist seit 2010 Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland. 2003 gründete er gemeinsam mit Rupert Neudeck die Hilfsorganisation Grünhelme e.V., die ökologische, soziale und religiöse Projekte in früheren Kriegs- und Krisengebieten durchführt.
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de
Leserkommentare zum Artikel: Ein politisches Signal setzen
Islamfeindlichkeit als Strafbestand? Was soll denn das wieder? Man kann doch gegen eine Religion sein, ob das Katholizismus oder Islam, egal!
Johnny Rebel30.01.2013 | 18:17 UhrWill da jemand etwa einen Sonderstatus als nicht kritisierbar?
Sehr geehrter Herr Mazyek, mit Interesse und Amusement habe ich Ihren polemischen Artikel „Ein politisches Signal setzen“ auf Qantara gelesen. Während Sie sich verbitten, zwischen Islam und islamischer Gewalt eine Beziehung zu identifizieren, haben Sie jedoch kein Problem damit, einen Zusammenhang zwischen Religionskritik am Islam und Rechtsextremismus herzustellen.
Überprüfen Sie doch einmal Ihre Kommunikationsstrategie auf eine mögliche Inkonsistenz, die hier deutlich zu Tage tritt. Sie scheuen sich auch nicht mit dem Begriff „Islamophobie“ das Erbe Ajatollah Ruhollah Musavi Chomeini anzutreten und Islamkritik als paranoides Phänomen angsterfüllter Westeuropäer zu missdeuten. Sie wissen genau, dass Ajatollah Chomeini den Begriff „Islamophobie“ erfunden hat, um seine islamische Terrorherrschaft zu schützen, die den Iran von einer modernen Gesellschaft in einen rückständigen, islamischen Gottesstaat wandelte.
Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass sich Parallelen aktuell in anderen Staaten nachvollziehen lassen, ebenso wie die Gewalt gegen Christen in islamischen Ländern, die Sie mit keinem Wort kritisieren, obwohl diese die Dimensionen sogenannter „rechtsextremer Gewalt“ bei weitem sprengen. Ebenso wenig wie wir Nicht-Muslime, haben Sie kein Problem mit Religionskritik am Christentum, an der katholischen Kirche und dem Papst. Wir bezeichnen solche Kritiker auch nicht als Christenhasser und Rassisten, sondern akzeptieren sie als Menschen, die ihr Grundrecht der freien Meinungsäußerung leben.
Erklären Sie doch mal bitte, wieso es bei Religionskritik eine Ausnahmeregelung für den Islam geben sollte? Tatsache ist doch, dass Muslime weltweit ihre Legitimation von Menschenrechtsverletzungen, Intoleranz gegen Nicht-Muslime, Morde und Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen im Islam gerechtfertigt sehen. Auch die Respektlosigkeit gegenüber unserem Rechtsstaat durch die illegale Anwendung der Scharia oder des Auslebens der hier verbotenen Polygamie sind für Sie kei
Joaquin Veyron31.01.2013 | 01:34 UhrSehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
Ihnen ein Kompliment, dass Sie auf Ihrer Seite auch Kritik zulassen, die eindeutig Ihrer politischen Ansicht widerspricht! Respekt!
Mit freundlichem Gruß
Ralf Winter31.01.2013 | 10:59 UhrWinter