Ramadan: Fasten mit Vollzeitjob, Studium und kleinem Kind

Erst abends essen, mitten in der Nacht schlemmen und trinken, um für den Tag vorzusorgen - so ungefähr läuft der muslimische Fastenmonat Ramadan ab. Trotzdem erlebt ihn jede und jeder anders. Von Hilal Özcan, dpa

Berlin. Noch schnell mit einem Kaffee wach werden, bevor es an die Arbeit geht? Das geht im Ramadan nicht so einfach für Gläubige. Denn viele Muslime fasten dann - in diesem Jahr noch bis einschließlich 1. Mai. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang verzichten sie aufs Essen und Trinken - auch auf Wasser. Nach dem Fastenmonat gibt es ein dreitägiges Fest (2. bis 4.5.). Es ist eines der wichtigsten muslimischen Feste. Wegen der vielen Süßigkeiten, die dabei an Kinder verteilt werden, wird es oft auch Zuckerfest genannt.



Für Aliye Simsek aus München heißt es dann «Mission Completed» (Auftrag erledigt). Die 28-Jährige ist Wirtschaftsinformatikerin und arbeitet in der Automobilbranche als Softwareentwicklerin. Sie sagt, sie werde durch das Fasten disziplinierter. Das Hungern mache sie dankbarer. Am Ramadanfest sitzt sie mit ihren Liebsten am Frühstückstisch und schätzt alles, was sie hat, umso mehr.



Apropos Frühstück: Während des Ramadan stehen manche auf, bevor die Sonne aufgeht. Mitten in der Nacht wird gefrühstückt und sich dann noch einmal schlafen gelegt. Die Fastenzeit fordert aber jeden anders heraus: Manche müssen körperlich hart arbeiten, andere drücken die Uni-Bank. Viele Eltern müssen früh aus den Federn. Merve Celikten aus Hannover zum Beispiel. Besonders anstrengend ist es für die Erziehungswissenschaftlerin, wie sie sagt, gerade an den Wochenenden, wenn ihr Kind nicht in die Kita geht. Dann stehen sie und ihr Mann bereits um 6 Uhr auf, um sich um ihre dreijährige Tochter zu kümmern. Bis zum Fastenbrechen um etwa 20.30 Uhr ist es dann eine lange Zeit.



Celiktens Tochter merkte bereits, dass Mama mittags nicht mitisst - und ließ sich das erklären. Mittlerweile fragt die Dreijährige nur noch ab und zu, ob Mama faste. Denn sie weiß jetzt, was Ramadan ist. In Deutschland ist das muslimische Fasten mittlerweile viel bekannter als früher, findet Wirtschaftsinformatikerin Simsek. Leute fragen sie nicht mehr, ob sie noch nicht mal einen Schluck Wasser trinke. Trotzdem ist die Frage noch immer ein Running Gag unter Muslimen, weil sie ihnen früher so oft gestellt wurde.



Simsek hat den Eindruck, dass die meisten Muslime trotz der Herausforderungen - darunter eben auch die, tagsüber komplett aufs Trinken zu verzichten - ganz gut mit dem Fastenmonat klarkommen. Rauf Ceylan, Professor für Gegenwartsbezogene Islamforschung an der Universität Osnabrück, bestätigt Simseks Eindruck, dass der Fastenmonat heutzutage stärker öffentlich wahrgenommen werde: «Politiker sprechen Grußworte aus und laden zum Fastenbrechen ein.» Nichtmuslimische Leser erhalten durch mediale Berichterstattung einen Einblick, so Ceylan. Doch das Informieren reiche nicht immer aus. «Religion muss man fühlen und erleben. In diesem Zusammenhang laden die muslimischen Gemeinden beispielsweise zum Fastenbrechen ein und fördern auf diesem Wege den Dialog», ergänzt er. 



Im Ramadan fällt der 28-jährigen Simsek eines besonders auf: «Dass ich über den Tag nicht mehr so viel Zeit mit Essen verschwende.» Sie könne sich sogar besser konzentrieren, weil sie nicht ständig an Kaffee denken müsse, erzählt die selbsterklärte Kaffeeliebhaberin.



Sie könne auch deshalb recht unbeschwert mit dem Ramadan umgehen, weil sie einem körperlich weniger anstrengenden Job nachgehe. Der Islamforscher empfiehlt: Das Fasten sollte grundsätzlich keine Belastung darstellen. Doch es sei natürlich mühsam und man müsse sich dabei in Geduld üben. Bei schwerer Arbeit oder unumgänglichen Situationen gebe es auch Ersatzhandlungen - zum Beispiel Spenden oder das Nachholen zu einem passenderen Zeitpunkt. Kranke, stillende Frauen und kleine Kinder sollen gar nicht fasten.



Studentin Feyza Özdogan aus Berlin findet es toll, im Ramadan einen geregelteren Tagesablauf zu haben, wie sie sagt. Doch der besondere Monat bringt für die 20-Jährige auch Schwierigkeiten mit sich. So passt ihr Uni-Stundenplan in diesem Jahr nicht zu den Zeiten des Fastenbrechens. Meistens hat sie nach 20 Uhr noch Vorlesungen.



Entweder sie verlässt diese fürs Fastenbrechen vorzeitig und verpasst einen Teil oder sie kann erst später essen und trinken. Der Stress sei aber schnell vergessen, wenn sie mit Freunden und Familie am gedeckten Tisch sitze und alle gemeinsam ihr Fasten brechen. Bald ist es eh geschafft. Ab Montag (2.5.) kann man Muslimen drei Tage lang zum abschließenden Ramadanfest gratulieren.



Fasten ist eine im Koran verankerte muslimische Pflicht, die zu den fünf Grundpfeilern des Islam zählt. Daher hat der Fastenmonat Ramadan für die weltweit mehr als anderthalb Milliarden Muslime eine besondere religiöse Bedeutung. Der Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Mondkalenders. Während der 30 Tage sollen Muslime von Tagesanbruch bis zum Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex verzichten. Traditionell gebrochen wird die Fastenzeit mit einer Dattel und einem Glas Milch. Danach folgt ein Gebet und das festliche Iftar-Mahl. Der Zeitpunkt des Ramadans ist in jedem Jahr verschieden, bestimmt wird er durch die Sichtung der neuen Mondsichel. (dpa)