Rätselraten um Trumps Nahostpolitik - Rückzug aus den Krisenregionen?

Im Wahlkampf polarisierte Donald Trump mit scharfer Rhetorik gegen Muslime und arabische Staaten. Terroristen wie den IS will er in die Hölle bomben. Noch ist unklar, was das für seine Nahostpolitik heißt. In der Region herrscht große Unsicherheit. Von Simon Kremer und Jan Kuhlmann

Zumindest die staatliche jordanische Fluglinie hatte bei der US-Wahl den richtigen Riecher. Am Tag der Abstimmung warb Royal Jordanian Airlines auf Facebook mit Angeboten für Flüge nach Amerika. «Nur für den Fall, dass er gewinnt», schrieb die Fluggesellschaft. «Flieg in die USA, solange Du noch darfst.» Mit «er» war Donald Trump gemeint, der künftige Präsident der USA. Die Kampagne spielte auf seine Androhung im Wahlkampf an, als Staatschef allen Muslimen die Einreise ins Land verbieten zu wollen.

Diese Ankündigung ist auch in der arabischen Welt vernommen worden. Jetzt rätseln die dortigen Regierungen und Experten, was Trumps kommende Präsidentschaft in den nächsten Jahren für die Region und ihre vielen Konflikte bedeuten könnte. Es herrscht große Unsicherheit. «Was wir wissen, ist, dass wir nicht wissen, welche Politik seine Regierung in Syrien und im Irak verfolgen wird», sagt Hassan Hassan vom Tahrir-Institut für Nahost-Politik in Washington.

Im Wahlkampf fiel Trump vor allem mit Äußerungen auf, die wie aus dem Mund eines Rambo klangen: «Wenn du diese Terroristen schnappst, dann musst du deren Familien ausschalten», verkündete er. Mit Blick auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) versprach er: «Ich werde den IS schnell und entschieden in die Hölle bomben.» Auch für den Irak präsentierte er seine Lösung: «Nehmt dem Irak das Öl weg.»

Viele dieser Aussagen dürften reine Wahlkampfrhetorik sein. Dahinter tauchen aber zumindest einige Positionen auf, mit denen sich Trumps Nahostpolitik andeutet. So sind sich die meisten Experten in einem Punkt einig: Trotz der markigen Töne ist ein radikaler Wandel kaum zu erwarten, wohl aber ein geringeres US-Engagement in der Region. «Die Momente unserer größten Stärke hatten wir, als die Politik an der Wasserkante aufgehört hat», erklärte Trump Anfang des Jahres.

Zu rechnen ist damit, dass Trump einen stärkeren Fokus auf den Kampf gegen den IS legen wird. So dürften die USA ihre Unterstützung für Iraks Sicherheitskräfte fortsetzen. Möglich ist auch eine stärkere Haltung gegenüber dem Iran, schließlich hat Trump das Atomabkommen mit Teheran scharf kritisiert. So könnte er gewillt sein, Irans starken Einfluss im Irak zurückzudrängen, vermutet Hassan Hassan.

Am ehesten ist eine veränderte US-Politik in Syrien zu erwarten, wo Russland und der Iran an der Seite des Regimes kämpfen. Obamas Regierung zeichnete sich durch eine starke Ablehnung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad aus. In einer TV-Debatte meinte auch Trump, er möge Assad nicht, fügte dann aber hinzu: «Aber Assad tötet den IS. Russland tötet den IS und der Iran tötet den IS.»

Gleichzeitig kritisierte er mehrfach Washingtons Unterstützung für Rebellen, für die das Land «Millionen verschwendet». Auch zu Assads treuem Verbündeten Moskau will Trump bessere Beziehungen. Für Syrien könnte das heißen, dass sich die USA auf den Kampf gegen den IS beschränken und ansonsten Moskau mehr oder weniger das Feld überlassen. Für die Rebellen wäre das eine schlechte Nachricht.

Assads Anhänger dagegen freuten sich in den sozialen Medien über Trumps Sieg. Besonders oft verbreiteten sie einen Tweet Trumps aus dem Jahr 2013: «Erinnert euch, all diese 'Freiheitskämpfer' in Syrien wollen ihre Flugzeuge in unsere Gebäude fliegen.»

Langjährige Partner Amerikas in der Region schwanken zwischen Bangen und Hoffen. Die USA zahlen jedes Jahr Milliarden US-Dollar an Ägypten und Jordanien. «Trumps Ankündigungen, dass die Partner mehr Verantwortung übernehmen sollen, lassen nichts Gutes ahnen», analysiert die US-Denkfabrik Soufan Group.

Wobei Ägypten als scharfer Gegner der Islamisten auch profitieren könnte. «Das Lager der anti-islamistischen Stimmen wird stärker gehört werden», meint Hassan Hassan vom Tahrir-Institut. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi jedenfalls ließ über seine Medien verbreiten, er habe Trump als erster Staatschef weltweit gratuliert.

Auch die Glückwünsche von Saudi-Arabiens König Salman ließen nicht lange auf sich warten, doch auch der langjährige US-Verbündete dürfte verunsichert sein. Die USA liefern dem Königreich Waffen und Munition und unterstützen die Monarchie logistisch im Krieg im Jemen.

Allerdings hatte Trump im Wahlkampf gefordert, dass reiche Staaten wie Saudi-Arabien für den «Schutz durch die USA» zahlen müssten. Das könnte sich auf das Verhältnis zu Riad negativ auswirken.

«Das Problem mit Trump ist, dass alles möglich ist», sagt der saudische Journalist und politische Analyst Dschamal Kaschoggi. Das Land werde jedoch weiter versuchen, das zuletzt angespannte Verhältnis zu den USA wieder zu verbessern.

Auch Jordaniens Fluglinie bleibt optimistisch. Sie hat zumindest für die Zeit nach Trumps Amtseinführung am 20. Januar weiter Flüge in die USA im Programm. (dpa)

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