Prozess gegen Can Dündar wegen angeblicher Terrorunterstützung

In Abwesenheit von Can Dündar hat in der Türkei der Prozess gegen den Ex-Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung «Cumhuriyet» wegen angeblicher Terrorunterstützung begonnen.

Gemeinsam mit Dündar ist «Cumhuriyet»-Hauptstadtbüroleiter Erdem Gül angeklagt, «eine bewaffnete Terrororganisation vorsätzlich und willentlich unterstützt» zu haben. Gül erschien am Mittwoch zu dem Verfahren in Istanbul, von dem das Gericht die Öffentlichkeit ausschloss. Anwalt Bülent Utku sagte vor Prozessbeginn, die Anklage fordere bis zu zehn Jahre Haft für seine beiden Mandanten.

Dündar hatte sich im Juli ins europäische Ausland abgesetzt. Ein Urteil wurde am Mittwoch nicht erwartet. Der Prozess wurde von einem Verfahren abgetrennt, bei dem Dündar und Gül im Mai wegen Geheimnisverrats zu fünf Jahren und zehn Monaten beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt worden waren.

Grundlage für beide Prozesse ist die Veröffentlichung geheimer Dokumente in der «Cumhuriyet», die türkische Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien 2015 belegen sollten. Gegen das Urteil haben Dündar und Gül Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, gemeinsame Sache mit der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen gemacht zu haben, den die Regierung für den Putschversuch in der Türkei Mitte Juli verantwortlich macht.

Dündar hatte den Kurs der Bundesregierung gegenüber der Türkei in zwei TV-Interviews scharf kritisiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe bei ihren Besuchen in dem Land «nie daran gedacht, Oppositionspolitiker oder Journalisten zu treffen», sagte Dündar dem Sender 3Sat in einem am Donnerstag ausgestrahlten Gespräch. «Sie hat nur darauf geachtet, dass ihre Beziehungen zur offiziellen Türkei nicht beschädigt werden.»

Gespräche über militärische oder staatliche Interessen dürften nicht auf Kosten der demokratischen Entwicklung gehen, sagte der frühere «Cumhuriyet»-Chefredakteur. Leider sei dies jetzt der Fall, erklärte er mit Blick auf die Debatte über die Armenien-Resolution des Bundestags und das Besuchsrecht von Bundestagsabgeordneten auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik. «Deswegen sind wir in der Türkei auch sehr enttäuscht.»

Ähnlich äußerte sich Dündar im ZDF-«heute-journal». Merkel habe ein großes Interesse daran, die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge in der Türkei zu halten. «Aber wenn man im Gegenzug, obwohl man die schlechten Noten der Türkei in der Demokratie und in Sachen Menschenrechte kennt, das alles gar nicht zur Sprache bringt, ist das für uns sehr enttäuschend», sagte Dündar. (dpa/AFP)