Politikwissenschaftler Aladin El-Mafaalani beklagt einseitige Sicht auf Migration

Die Debatten über Migration in Deutschland greifen nach Ansicht des Münsteraner Politikwissenschaftlers Aladin El-Mafaalani oftmals zu kurz. Mitunter kämen die eigentlichen Herausforderungen gar nicht zur Sprache, sagte El-Mafaalani der «Welt am Sonntag». Als Beispiel verwies der Wissenschaftler auf das Image von sogenannten Problemvierteln wie Berlin-Marzahn oder Köln-Chorweiler. Konflikte entstünden dort weniger wegen der Zuwanderung, sondern wegen der Armut.

«Wenn Migration und Flucht die Ursachen für Kriminalität und andere Problemlagen wären, dann müssten Stuttgart, München, Frankfurt oder Nürnberg ganz oben auf der Liste der Problemstädte stehen», sagte El-Mafaalani. In diesen Städten sei der Anteil der «Menschen mit einer internationalen Geschichte» am höchsten. Da dort aber die Arbeitslosigkeit relativ niedrig sei, gebe es deutlich weniger Konflikte.

Viele Menschen, die derzeit als Experten gehört würden, hätten noch nie über Migration geforscht, beklagte der Wissenschaftler. «Wenn Thilo Sarrazin etwas sagt, lerne ich mehr über seine persönliche Vorstellung von einer idealen Gesellschaft als über den Zustand unserer Gesellschaft», kritisierte El-Mafaalani. «Menschen wie Sarrazin kommen nicht zu verwertbaren Ergebnissen, sondern produzieren Stimmungen.»

Im europäischen Vergleich stehe Deutschland bei der Integration von Migranten trotz der jüngsten Ausschreitungen gegen Flüchtlinge gut da, betonte der Politologe. Dass zeige sich beispielsweise auch an der Kopftuch-Debatte. Diese habe erst aufkommen können, nachdem muslimische Studentinnen oder Akademikerinnen es darauf angelegt hätten. Der Zugang von Migranten zu Bildung und deren Erfolg an Universitäten habe damit das Phänomen überhaupt in den Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Solange nur die Putzfrau in der Schule ein Kopftuch getragen habe, sei das Thema gar nicht virulent gewesen. (KNA)