Patriarch auf dem Vulkan namens Irak

Im März will Papst Franziskus in den Irak reisen. Die kleine katholische Minderheit dort leitet Louis Raphael I. Sako - in einem permanent angespannten Umfeld. Noch vor wenigen Monaten riet er von einem Papstbesuch ab.



Vatikanstadt. Patriarch Louis Raphael I. Sako erwartet hohen Besuch aus Rom. Im März, so Gott will, soll Franziskus die irakische Hauptstadt Bagdad und das biblische Ur bereisen, aber auch Erbil, Mossul und Karakosch sowie die Ninive-Ebene im Norden. Sein Gastgeber wird Sako sein, Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Kirche, einer der größten Christengemeinden des Nahen Ostens. Ein erheblicher Teil der Gläubigen ist vor Krieg und Terror geflohen.



Das Patriarchat von Babylon mit Sitz in Bagdad ist eine Minderheitenkirche im sunnitisch geprägten Irak. Angaben zu ihrer Größe schwanken zwischen gut 400.000 und einer Million Mitglieder. Viele von ihnen leben im Ausland - in Nordamerika, Australien und Westeuropa. Schätzungen zufolge machen Christen aller Konfessionen im Irak gerade einmal ein Prozent aus.



So ist Sako ein unermüdlicher Warner vor dem Untergang des Christentums in dessen Geburtsregion. Die christlichen Politiker im Land mahnt er zu Einheit, um die kleine christliche Quote im Parlament und ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Nachdrücklich tritt er für Menschen- und Bürgerrechte im Irak ein - was vor allem heißt: für die Achtung der christlichen Minderheit.



Papst Franziskus schätzt den vielsprachigen Patriarchen - außer Arabisch und Chaldäisch spricht er Französisch, Englisch und Italienisch sowie etwas Deutsch - auch als Experten für den Dialog mit dem Islam. Kurz vor Sakos 70. Geburtstag im Juli 2018 machte er ihn zum Kardinal.



Solchen Rückhalt konnte Sako gebrauchen. Anfang 2013 in Rom von der chaldäischen Bischofssynode zum Patriarchen von Babylon gewählt, hat der aus Zakho nahe der türkischen Grenze stammende Sako eine heikle Position im eigenen Land. Vergangenes Jahr, nach gewaltsamen Protesten gegen die Regierung mit zahlreichen Toten und Verletzten, bat er Christen, auf Weihnachtsfeiern zu verzichten - aus Solidarität mit den Familien der Opfer. Auch die nächtlichen Christmetten in Bagdad wurden abgesagt. Zu sensibel sei die Sicherheitslage, hieß es.



Noch Anfang des Jahres verglich Sako die Lage im Irak mit einem "Vulkan kurz vor dem Ausbruch". Das Land hatte wochenlange Proteste hinter sich, mit denen Bürger ihren Unmut über anhaltende Armut, Arbeitslosigkeit und schlechte Dienstleistungen bekundeten. Auch Sako beklagte, der Irak finde einfach keinen Weg heraus aus Sektierertum, Korruption, illegaler Bereicherung und Rechtsunsicherheit. Hinzu kam die Corona-Pandemie, die in dem Land mit 39 Millionen Einwohnern bislang mehr als 12.400 Todesopfer forderte.



Den Amtsantritt von Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi im Mai wertete Sako als Hoffnungszeichen. Dem schiitischen Regierungschef und Nachfolger des vorzeitig zurückgetretenen Adil Abd al-Mahdi traute er zu, für nationale Einheit zu sorgen und gegen Korruption und die Militarisierung des Landes vorgehen. Al-Kadhimi sei "ein ehrlicher Mann, der an keine politische Partei gebunden ist und mit dem immer ein guter Dialog möglich war".



Die Wunden, die der sogenannte "Islamische Staat" mit seiner Terror-Herrschaft schlug, sind noch nicht verheilt. Bislang kehrten 40 Prozent der Christen in die Ortschaften zurück, aus denen sie von den Islamisten vor sechs Jahren vertrieben worden waren. Die Übrigen zweifeln laut dem Kirchenoberhaupt an einer stabilen, sicheren Zukunft. Sie zogen es vor, in die Diaspora zu ziehen oder in der Kurdenregion zu bleiben.



An sich ist Sako Geisteswissenschaftler. 1979 begann er Spezialstudien am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom, wo er in orientalischer Patristik promoviert wurde. Anschließend erwarb er einen Doktorgrad in Geschichte an der Pariser Sorbonne. Als Gemeindepfarrer über elf Jahre in Mossul, dann ab 2002 als Erzbischof von Kirkuk hatte er sich hingegen mit der sozialen und politischen Gegenwart auseinanderzusetzen.



Mit den Sorgen über die Konflikte, religiöse Spannungen und Wirtschaftsprobleme, die den Exodus der Christen vorantreiben, reiste Sako vergangenen Februar zu einem Gipfel- und Krisentreffen im Vatikan. Die sechs Patriarchen der katholischen Ostkirchen legten Franziskus die Lage in der Region dar, nachdem sie zuvor unter sich im Libanon beratschlagt hatten.



Bei dem Anlass war es anscheinend Sako, der dem Papst von einem Besuch im Irak abriet. "Er hat auch über seinen Wunsch gesprochen, den Irak zu besuchen, aber leider sind die Umstände bis jetzt nicht günstig", sagte der Patriarch anschließend. Er fuhr fort: "Vielleicht sehen wir Ende des Jahres, ob das möglich ist." (KNA)