Palästinenserpräsident Abbas warnt wegen Streits um Al-Aksa-Gelände vor neuer Intifada

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat nach den Zusammenstößen vor der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem vor einer neuen "Intifada" gewarnt. "Was passiert, ist extrem gefährlich", sagte Abbas am Dienstag bei einem Treffen mit Frankreichs Staatschef François Hollande in Paris. Im Vorfeld des jüdischen Jom-Kippur-Feiertags und des am Mittwochabend beginnenden islamischen Opferfests war die Lage in Jerusalem und im Westjordanland sehr angespannt.

Es drohten "Chaos" und eine neue "Intifada, die wir nicht wollen", erklärte Abbas in Paris. Hollande rief zur "Ruhe" und zum "Respekt" der für den Tempelberg geltenden Regeln auf. In der vergangenen Woche war es auf dem Hochplateau in der Jerusalemer Altstadt, wo seit dem Mittelalter die Al-Aksa-Moschee und der islamische Felsendom stehen, zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und israelischen Armee- und Polizeikräften gekommen. Das Judentum verehrt den Tempelberg als seinen allerheiligsten Ort.

Am Dienstag stationierte Israel tausende Polizisten im seit 1967 annektierten Ost-Jerusalem, wo es bis zum Nachmittag ruhig blieb. Alle Grenzübergänge zum Westjordanland wurden für Palästinenser bis zur Nacht zum Donnerstag geschlossen. Auch dort war es in den vergangenen Tagen immer wieder zu Protesten wegen des Streits um die Souveränität auf dem Al-Aksa-Gelände gekommen, das neben Mekka und Medina zu den zentralen heiligen Stätten des Islam gehört.

In Hebron, der größten Stadt im besetzten Westjordanland, wurde in der Nacht zum Dienstag ein Palästinenser bei einem Militäreinsatz getötet, während er mit einem Sprengsatz hantierte. Eine israelische Armeesprecherin erklärte, der Palästinenser sei ums Leben gekommen, weil ein Sprengsatz, den er auf ein Militärfahrzeug habe werfen wollen, vorzeitig explodiert sei. Palästinensische Sicherheitskräfte berichteten hingegen, der 21-Jährige sei von Schüssen der Soldaten getroffen worden, der selbstgebastelte Sprengsatz sei danach neben ihm explodiert.

An einem Kontrollpunkt im Zentrum von Hebron, der größten palästinensischen Stadt im besetzten Westjordanland, wurde eine Palästinenserin am Dienstagmorgen von israelischen Soldaten angeschossen. "Ein Angriff wurde abgewehrt, als eine Frau versuchte, auf einen Soldaten einzustechen", teilte die Armee dazu mit. Laut palästinensischen Medien soll die Verletzte eine 18-jährige Studentin sein.

Schon in der vergangenen Woche gab es tagelang schwere Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und israelischen Armee- und Polizeikräften, ausgelöst durch das jüdische Neujahrsfest und Konflikte um die Nutzung des Tempelbergs.

In einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung erklärten 57 Prozent aller in der vergangenen Woche Befragten, sie befürworteten inzwischen einen bewaffneten Aufstand gegen die israelische Besatzung. "Das ist exakt die gleiche Zahl wie diejenige, die wir im Jahr 2000 zwei Monate vor dem Ausbruch der Zweiten Intifada gemessen haben", erklärte Chalil Schikaki,  Direktor des Meinungsforschungsinstituts PSR.

Zudem seien gegenwärtig 80 Prozent der Palästinenser überzeugt, dass ihr Streben nach einem eigenen Staat in der arabischen Welt kein vordringliches Thema mehr sei. "Ein ähnlich starkes Gefühl, im Stich gelassen zu werden, haben wir 1987 ermittelt, als der erste Palästinenseraufstand ausbrach", erläuterte Schikaki. (AFP)