Palästinenser-Gruppen Hamas und Fatah auf Versöhnungskurs

Die Hamas will die Verwaltung des Gazastreifens an Abbas übergeben. Damit könnte die jahrelange Spaltung der Palästinenser überwunden werden. Doch nach zahlreichen Fehlversuchen herrscht weiter Skepsis. Von Sara Lemel und Saud Abu Ramadan

Zehn Jahre nach der gewaltsamen Machtübernahme im Gazastreifen hat sich die radikal-islamische Hamas bereit erklärt, die Verwaltung des Küstenstreifens am Mittelmeer abzugeben. Die zweitgrößte Palästinenserorganisation teilte am Sonntag mit, sie lade die Regierung des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas im Westjordanland dazu ein, «in den Gazastreifen zu kommen und ihre Aufgaben sofort zu übernehmen».

Die rivalisierende Fatah-Organisation von Abbas und die Vereinten Nationen begrüßten den Schritt. Jussuf al-Mahmud, Sprecher der Regierung von Abbas, beschrieb das Versöhnungsangebot der Hamas als «historische Gelegenheit für eine Wiedervereinigung». Aus dem Fatah-Lager war aber auch Skepsis zu hören.

Die Hamas ist nach der Fatah die zweitgrößte Palästinenserorganisation. Nach einem blutigen Bruderkrieg riss die Hamas im Juni 2007 die Macht im Gazastreifen an sich. In dem Küstenstreifen leben rund zwei Millionen Menschen. Die gemäßigte Fatah kontrolliert das Westjordanland. Die Palästinenser wollen im Gazastreifen, Westjordanland und in Ost-Jerusalem einen unabhängigen Staat ausrufen.

2014 bildeten Hamas und Fatah eine Einheitsregierung und kündigten allgemeine Wahlen an. Wie viele andere zuvor scheiterte jedoch auch diese Initiative. Seit 2006 gab es in den Palästinensergebieten keine Parlamentswahlen mehr. Die Hamas hatte damals die Mehrheit gewonnen.

In der Stellungnahme akzeptierte die Hamas weitere Kernforderungen von Abbas für eine innerpalästinensische Versöhnung. Es wurde jedoch damit gerechnet, dass die Hamas die Kontrolle ihrer Sicherheitskräfte behält.

Die Hamas erklärte sich bereit, ihr Verwaltungskomitee für den Gazastreifen aufzulösen. Außerdem stimme die Organisation allgemeinen Wahlen zu, hieß es in der Mitteilung. Der Schritt sei Ergebnis «großzügiger Bemühungen von Ägypten, eine palästinensische Versöhnung herbeizuführen».

Der Hamas-Chef Ismail Hanija hielt sich zuletzt eine Woche lang mit einem Team zu Gesprächen in Kairo auf. Eine Fatah-Delegation kam vor zwei Tagen in der ägyptischen Hauptstadt an. Mahmud al-Alul, Mitglied des Fatah-Zentralkomitees und Vize von Abbas, sprach im palästinensischen Rundfunk von «guten Nachrichten».

Er blieb jedoch skeptisch, ob dies wirklich zu einer umfassenden Versöhnung führen wird. «Es ist gut, dass die Hamas die Auflösung des Verwaltungskomitees (im Gazastreifen) erklärt hat sowie die Bereitschaft, die Kontrolle an die palästinensische Regierung zu übergeben, aber wir müssen abwarten und sehen, wie viele Bedingungen der vorherigen Abkommen wir umsetzen können», sagte Al-Alul.

Jussuf al-Mahmud, Sprecher der Regierung von Abbas, beschrieb das Versöhnungsangebot der Hamas anschließend als «historische Gelegenheit für eine Wiedervereinigung» und «Schritt in die richtige Richtung». Die Regierung sei bereit, die Verwaltung im Gazastreifen zu übernehmen, warte aber noch auf Präzisierungen der Hamas, sagte Al-Mahmud der offiziellen palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa. Die Hamas setzt weiter auf den bewaffneten Widerstand gegen Israel und den Anspruch auf das gesamte historische Palästina. Sie wird von den USA, der EU und Israel als Terrororganisation eingestuft.

Israel hat eine Blockade über den Gazastreifen verhängt, die von Ägypten mitgetragen wird. Innerhalb des letzten Jahrzehnts haben Israel und die Hamas drei Kriege gegeneinander geführt, die schwere Zerstörungen in dem Küstengebiet hinterlassen haben. Zuletzt hatte die Fatah-Organisation von Abbas den Druck auf die Hamas erhöht. Auf Wunsch von Abbas reduzierte Israel etwa die Stromlieferungen in den Gazastreifen. Auch die Gehälter Tausender öffentlicher Angestellter im Gazastreifen wurden gekürzt.

Die Einwohner hatten in den vergangenen Monaten nur wenige Stunden am Tag Strom zur Verfügung. UN-Generalsekretär António Guterres sprach Ende August bei einem Besuch in dem Küstenstreifen von «einer der dramatischsten humanitären Krisen», die er je gesehen habe.

Der UN-Nahostgesandte Nickolay Mladenov begrüßte den Schritt der Hamas am Sonntag und dankte Ägypten für den positiven Impuls. «Alle Beteiligten müssen die Gelegenheit ergreifen, ein neues Kapitel für das palästinensische Volk aufzuschlagen», schrieb Mladenov auf Twitter. Er hoffe nun auf eine Verbesserung der humanitären Situation im Gazastreifen.

Unter ihrem ehemaligen Chef Chaled Meschaal galt die Hamas als enger Verbündeter Qatars, das seit mehr als drei Monaten auch von Ägypten blockiert wird. Unter ihrem neuen Führer Hanija scheint die Hamas auf bessere Kontakte mit dem Nachbarland am Nil zu setzen und distanzierte sich von Qatar und den islamistischen Muslimbrüdern, die Ägypten als Terroristen verfolgt und die enge Kontakte zu Qatar aufgebaut haben. (dpa)