Ohnmacht und Frust: Sicherheitsrat bleibt zu Syrien gespalten

Zerstritten, blockiert, ohnmächtig: Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien gibt der Sicherheitsrat bei dem Thema kein gutes Bild ab. Trotz der jüngsten Eskalation hat sich das nun noch verschlechtert - kann das mächtigste UN-Gremium das Ruder noch einmal rumreißen? Von Christina Horsten und Johannes Schmitt-Tegge

Zur ersten Sondersitzung über den eskalierenden Konflikt im syrischen Rebellengebiet Ost-Ghuta erscheint Nikki Haley nicht. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen lässt sich im Sicherheitsrat in der vergangenen Woche von ihrer Nummer zwei vertreten, während sie an der Universität in Chicago einen Vortrag über die «Herausforderungen und Möglichkeiten der UN» hält.

Der Vortrag war lange geplant, das Treffen zum Syrien-Konflikt kurzfristig angesetzt, trotzdem murrt es hinter den Kulissen. Bei Haley herrsche das «Primat der Innenpolitik und das Primat der eigenen Karriere», heißt es aus Diplomatenkreisen. Die US-Botschafterin denke hauptsächlich schon an ihre eigene Präsidentschaftskandidatur, «Haley 2024».

Dass die USA ihre führende Rolle in der Weltpolitik auch im Sicherheitsrat längst nicht mehr wie gewohnt spielen, ist nur einer der Gründe, warum auch der seit sieben Jahren tobende Bürgerkrieg in Syrien und dessen jüngste Eskalation das Gremium einfach nicht zusammenbringen können.

Mehrere Sitzungen und stundenlange Verhandlungen hinter den Kulissen braucht es, bei denen sich Russland stets eng mit Syrien abstimmt, bis schließlich eine zahnlose Resolution verabschiedet ist - die sich eine 30-tägige Waffenruhe wünscht, aber weder eine konkrete Anfangszeit noch ein Druckmittel zur Durchsetzung nennt und dementsprechend wirkungslos verpufft.

Am Tag darauf prescht Russland, das die Resolution gerade noch mit verabschiedet hatte, vor und verkündet eine tägliche fünfstündige Pause. Wie so oft, kritisieren Beobachter, habe Russland damit im Sicherheitsrat auf Zeit gespielt, um dann vor Ort selbst Fakten zu schaffen, ohne komplizierte Beratungen. Zehnmal hat Russland in Sachen Syrien schon sein Veto eingesetzt, um eine Resolution zu verhindern. Zuletzt wurde so Ende vergangenen Jahres endgültig ein Mechanismus abgeschafft, der die Verantwortlichen für Chemiewaffen-Angriffe feststellen sollte.

Auch zwischen Haleys Vorgängerin Samantha Power und dem damaligen russischen UN-Botschafter Witali Tschurkin gab es zahlreiche offen ausgetragene Konflikte, aber hinter den Kulissen waren die beiden so eng befreundet, dass die Familien sogar Thanksgiving zusammen feierten - und so gab es doch immer wieder Wege um die Konflikte herum. Doch Tschurkin starb vor einem Jahr plötzlich und zwischen der von US-Präsident Donald Trump eingesetzten Botschafterin Haley und Tschurkins Nachfolger Wassili Nebensja herrscht nun endgültig Eiszeit. Das Klima sei «schlimm», heißt es aus Diplomatenkreisen.

Die anderen Mitgliedstaaten des Sicherheitsrats - gerade die der zehn nicht-permanenten, ohne Veto-Macht - sind zunehmend genervt und frustriert, dass das Gremium sich zu Syrien anhaltend gespalten und ohnmächtig zeigt. Stundenlang wird in New York über Begrifflichkeiten diskutiert - während in Syrien Bomben fallen und Menschen sterben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht von einem «Massaker» in Ost-Ghuta - während der Sicherheitsrat über den als «OP1» bekannten «operativen Absatz 1» diskutiert, den wegen seiner konkreten Schritte oft wichtigsten Teil in Resolutionen. Soll der Rat darin eine Waffenruhe «beschließen», oder doch nur «fordern», wie es am Ende heißen wird? Soll eine konkrete Uhrzeit für das Inkrafttreten der Waffenruhe festgelegt werden? Oder soll sie eher schwammig «unverzüglich» und damit in dem Moment gelten, in dem die Botschafter im Saal ihre Hände gehoben und die Resolution angenommen haben? Wichtige Stunden und Tage verstreichen.

US-Botschafterin Haley wirkt resigniert, als die Sitzung am letzten Samstag nach erneuter mehrstündiger Verzögerung endlich eröffnet und die Resolution einstimmig angenommen wird. «Hier sind wir und stimmen über eine Waffenruhe ab, die vor Tagen hätte Leben retten können», sagt die US-Botschafterin. Nur «einige Worte und ein paar Kommas» hätten sich geändert.

Syrien ist nur ein Thema, bei dem es im Sicherheitsrat hakt: Jemen, die Reform des Gremiums, Myanmar - so richtig voran geht es nirgendwo und der schwelende Grundkonflikt zwischen den Veto-Mächten USA und Russland wirkt wie die Wurzel von alldem. Russlands UN-Botschafter Nebensja scheint dann auch in Sachen Syrien nicht mehr auf den Sicherheitsrat zu setzen. Waffenruhen würden durch einen «arbeitsintensiven und mühsamen Prozess am Boden» ausgehandelt, nicht «per Dekret» von den Vereinten Nationen.

Am Mittwoch sagt es auch der UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock den 15 Sicherheitsratsmitgliedern noch einmal ganz offen: «Ihre Resolution wirkt nicht.» Es habe bislang keinerlei Verbesserungen für die Zivilisten in Ost-Ghuta gegeben. Insgesamt hätten dieses Jahr überhaupt nur rund 7.200 Menschen mit einem kleinen Konvoi in belagerten und schwer zugänglichen Gebieten Syriens mit humanitärer Hilfe versorgt werden können - deutlich weniger als im vergangenen Jahr. «Ich beende meine Rede mit einer Frage an Sie», sagt Lowcock. «Wann wird Ihre Resolution endlich umgesetzt?» (dpa)