Notstand in Jemens Hauptstadt: Humanitäre Hilfe zusammengebrochen

Millionen Menschen im Jemen sind abhängig von Hilfsleistungen. Es fehlt an Nahrung, Wasser und Strom. Doch wegen einer Blockade kommen nicht genug Güter ins Land. Die Gewalt eskaliert immer weiter. Von Jan Kuhlmann und Amal al-Yarisi

Nach der Eskalation der Gewalt im Jemen wird die humanitäre Lage in dem Bürgerkriegsland immer dramatischer. In der Hauptstadt Sanaa brach die humanitäre Hilfe völlig zusammen. Wegen der Sicherheitslage hätten alle Leistungen vorerst eingestellt werden müssen, teilten mehrere internationale Hilfsorganisationen mit.

Einen Tag nach dem Tod des früheren Präsidenten Ali Abdullah Salih herrschte in der Hauptstadt am Dienstag gespannte Ruhe. Care, Oxfam, Save the Children und andere Organisationen forderten eine sofortige Waffenruhe in Sanaa. «Die jemenitische Bevölkerung verkraftet keine weiteren Rückschläge», sagte Care-Länderdirektor Johan Mooij. «Die Gewalt zwingt die Bevölkerung dazu, sich in ihren Kellern zu verstecken.» Vielen Menschen fehle es an ausreichend Essen und Wasser. In Sanaa leben rund 3,5 Millionen Menschen.

In dem Bürgerkriegsland war in der vergangenen Woche das Bündnis zwischen den schiitischen Huthi-Rebellen und den Anhängern von Ex-Präsident Salih zerbrochen. In Sanaa brachen am vergangenen Mittwoch heftige Kämpfe zwischen beiden Seiten aus. Jets der von Saudi-Arabien geführten Koalition bombardierten die Huthis. Bei den Kämpfen töteten die Rebellen am Montag auch Ex-Präsident Salih.

Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) kamen seit Ausbruch der neuen Gewalt in Sanaa 234 Menschen ums Leben. Rund 400 Menschen seien verletzt worden, sagte eine IKRK-Sprecherin.  Jets der saudischen Koalition setzten die Bombardierung Sanaas in der Nacht zum Montag fort. Augenzeugen berichteten von heftigen Luftangriffen. Erstmals sei der von den Huthi-Rebellen kontrollierte Präsidentenpalast angegriffen worden. «Wir haben in den vergangenen Tagen wegen der Kämpfe in großer Angst gelebt», sagte ein Einwohner.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) teilte am Dienstag über Twitter mit, bei einem Luftangriff am Sonntag sei in der Stadt Hadscha nordwestlich von Sanaa auch ein von ihr unterstütztes Krankenhaus beschädigt worden. Auf medizinische Einrichtungen werde im Jemen vorsätzlich keine Rücksicht genommen.

Das IKRK erklärte, zwei der wichtigsten Krankenhäuser Sanaas hätten keinen Treibstoff mehr, um die Generatoren zu betreiben, von denen sie abhängig seien. Die Organisation habe zudem keinen Zugang zu dringend benötigten medizinischen Hilfsgütern in einem Lagerhaus, weil sich in dem Gebäude Bewaffnete aufhielten. Die Hauptstadt wird von den Huthi-Rebellen kontrolliert.

Saudi-Arabien und seine Verbündeten unterstützen in dem Konflikt die international anerkannte Regierung. Das benachbarte Königreich will mit der Einsatz vor allem den Einfluss seines schiitischen Erzrivalen Iran zurückdrängen, der die Huthi-Rebellen unterstützt.

Nach rund drei Jahren Bürgerkrieg erlebt der Jemen seit Monaten eine der weltweit schlimmsten humanitären Krisen. Von den 27 Millionen Einwohnern des Landes sind nach UN-Angaben rund zwei Drittel auf Lebensmittelhilfe angewiesen. Wegen einer Blockade der saudischen Koalition kommen aber zu wenige Güter ins Land. Die UN warnten, wegen der Blockade drohe dem Land eine Hungerkatastrophe. Zudem grassiert im Jemen eine Cholera-Epidemie. (dpa)