Neue soziale Proteste in Marokko: Dutzende Verletzte in Al-Hoceima

Im Norden Marokkos hat es bei Demonstrationen für die Freilassung eines prominenten Aktivisten Ausschreitungen mit Dutzenden Verletzten gegeben. Eine Gruppe vermummter Männer habe in der Stadt Al-Hoceima Steine auf Sicherheitskräfte geworfen, teilten örtliche Behörden am Dienstag mit. Die Beamten setzten daraufhin Tränengas ein und schlugen Demonstranten mit ihren Pistolen, wie auf einem von der Zeitung «Al-Jaum 24» verbreiteten Video zu sehen war.

Zu den Protesten war es bereits am Montag gekommen. Mindestens 40 Menschen, darunter auch Kinder, seien wegen Atemproblemen in Krankenhäuser gebracht worden, schrieb die Zeitung weiter. Auch die Krankenwagen seien attackiert worden, teilten die Behörden mit. Die Bewegung Al-Hirak al-Schaabi hatte zu den Protesten aufgerufen. Sie fordert, dass ihr Gründer Nasser Zefzafi aus dem Gefängnis entlassen wird. Die Gruppe führte in den zurückliegenden Monaten Demonstrationen gegen Arbeitslosigkeit und Korruption in der Regierung an. 

Unterdessen hat Marokkos König die schleppende Umsetzung eines Förderprogramms für die von Protesten erschütterte Rif-Region im Norden des Landes kritisiert. Mohammed VI. äußerte bei einer Kabinettssitzung seine "Enttäuschung, Unzufriedenheit und Sorge" über die Verzögerungen bei dem 600-Millionen-Euro-Programm für die verarmte Gebirgsregion, wie die Regierung mitteilte. Den zuständigen Ministern strich der König den Sommerurlaub, um das Programm zu beschleunigen.

In der mehrheitlich von Berbern bewohnten Rif-Region, die sich seit Jahren von der Regierung vernachlässigt fühlt, gibt es seit Oktober Proteste gegen Arbeitslosigkeit und für mehr soziale Gerechtigkeit. Die Regierung hatte deshalb ein Förderprogramm von 2015 neu aufgelegt und den Rif-Bewohnern bis 2019 Investitionen in Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung versprochen.

In Al-Hoceima kommt es seit Monaten immer wieder zu Protesten. Im Oktober vergangenen Jahres war dort ein Fischhändler in einer Müllpresse gestorben, weil er verhindern wollte, dass die Behörden beschlagnahmten Fisch vernichten. Der Zwischenfall führte in Marokko zu den größten Protesten seit den Reformen im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings 2011. (dpa/AFP)