Neue libanesische Regierung gewinnt Vertrauensabstimmung im Parlament

In einer von massiven Protesten begleiteten Abstimmung im libanesischen Parlament hat eine Mehrheit der Abgeordneten der neuen Regierung das Vertrauen ausgesprochen. 63 der 84 anwesenden Abgeordneten bestätigten am Dienstag das neue Kabinett von Ministerpräsident Hassan Diab, das sich einer der schwersten Krisen in der Geschichte des Landes gegenüber sieht. Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten vor dem Parlament wurden mehr als 370 Menschen verletzt.

Die Protestbewegung hatte dazu aufgerufen, die Vertrauensabstimmung im Parlament in Beirut zu verhindern. Sicherheitskräfte hatten das Parlamentsgebäude weiträumig abgeriegelt. Wie ein AFP-Korrespondent berichtete, warfen Demonstranten Steine auf Fahrzeuge von Abgeordneten und gegen Mauern rund um das Parlamentsgebäude. Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Wasserwerfer ein.

In libanesische Flaggen gehüllte Demonstranten riefen Parolen wie "Kein Vertrauen". Der 26-jährige Demonstrant Christopher sagte, er sei dem Aufruf der Protestbewegung gefolgt, um seiner Ablehnung für die neue Regierung Ausdruck zu verleihen. "Die Libanesen haben kein Vertrauen in die Regierung - selbst wenn die Abgeordneten sie unterstützen", sagte er.

Nach Angaben des Roten Kreuzes wurden bei den Zusammenstößen 373 Menschen verletzt. 45 von ihnen wurden demnach in ein Krankenhaus gebracht.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte den Einsatz unverhältnismäßiger Gewalt gegen Demonstranten. Sicherheitskräfte hätten Tränengas in die Menge geschleudert und Protestteilnehmer "zusammengeschlagen", erklärte die HRW-Expertin Aja Madschsub.

Trotz der gewaltsamen Auseinandersetzungen konnte das Parlament seine Beratungen über das Programm der neuen Regierung aufnehmen. Einige Abgeordnete hatten die Nacht im Parlament verbracht, da seit Beginn der Protestbewegung im Oktober bereits mehrfach Sitzungen durch Demonstrationen verhindert worden waren. Ein Teil der Abgeordneten boykottierte die Parlamentssitzung, ein Parlamentarier erschien mit einem blauen Auge.

Diab versprach, bis Ende des Monats einen "Krisenplan" auszuarbeiten. "Jeder Tag", an dem dieser Plan nicht in Kraft sei, bedeute "mehr Verluste für das Land", sagte der Ministerpräsident. Nach achtstündigen Beratungen erklärte Parlamentschef Nabih Berri die Regierung für bestätigt. Sie sieht sich nun der Aufgabe gegenüber, eine der schwersten Krisen in der jüngeren Geschichte des Landes zu bewältigen.

Der frühere Bildungsminister Diab war bislang im Libanon kaum bekannt. Sein Kabinett besteht zum großen Teil aus Akademikern und früheren Regierungsberatern. Bei der Bestätigung seines Kabinetts durch Präsident Michel Aoun Ende Januar hatte Diab angekündigt, auf die Protestbewegung zuzugehen.

Der Libanon wird seit Mitte Oktober von beispiellosen Protesten gegen Korruption und Misswirtschaft erschüttert. Die Demonstrationen gingen auch nach der Bildung einer neuen Regierung im Januar weiter, weil diese sich aus Sicht der Protestbewegung nicht deutlich genug von der bisherigen politischen Elite abhebt. Der Libanon befindet sich zudem in einer schweren Wirtschaftskrise. (AFP)