Nahost-Konferenz in Paris am 15.01.2017: Signal vor der erwarteten Zeitenwende

Frankreich bemüht sich seit Monaten um neue Impulse für eine Lösung des festgefahrenen Nahostkonfliktes. Doch die Hoffnungen auf eine Lösung sind so dünn wie selten - und Netanjahu scheint versucht, die Pariser Nahost-Konferenz einfach auszusitzen. Von Sara Lemel und Sebastian Kunigkeit

Auf der Fassade des Pariser Rathauses flattert ein Lichtbild der israelischen Fahne. Die Projektion am Dienstagabend war ein Zeichen des Gedenkens für die Opfer des jüngsten Anschlags in Jerusalem, das in Israel gut ankam. Der Sprecher des Außenministeriums dankte umgehend für den «wundervollen Akt der Solidarität». Aber jenseits solch symbolischen Zusammenstehens herrscht derzeit dicke Luft zwischen Paris und Jerusalem. Frankreich will mit einer internationalen Nahost-Konferenz am Sonntag (15. Januar) Impulse für eine Wiederaufnahme der brachliegenden Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern setzen. Es warnt, der schwelende Konflikt mit seinen andauernden Gewaltausbrüchen sei eine große Gefahr - nicht zuletzt für die Sicherheit Israels. Doch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu blockt die Pariser Friedensinitiative seit Monaten hartnäckig ab.

Das ist nicht der einzige Grund, warum der Sinn des Treffens von vorneherein fraglich ist. Die Konfliktparteien sitzen nicht mit am Tisch, und fünf Tage danach übernimmt in den USA Donald Trump das Ruder als Präsident. Skepsis ist also angebracht - doch Frankreich lässt sich nicht beirren, es erwartet Vertreter von etwa 70 Staaten und Organisationen. Auch US-Außenminister John Kerry kommt dafür kurz vor Ende seiner Regierungszeit noch einmal nach Paris. Vor dem Zeitenwechsel im Weißen Haus reiht sich die Konferenz in eine Serie symbolträchtiger Gesten ein, mit denen die USA und andere den Druck auf Israel und die Palästinenser verstärkt haben, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die jüngste diplomatische Offensive begann mit einer Resolution des UN-Sicherheitsrats gegen Israels Siedlungspolitik am 23. Dezember, die Washington passieren ließ – ein Paukenschlag. Fünf Tage später folgte ein leidenschaftlicher Appell des scheidenden US-Außenministers an beide Seiten, die Zwei-Staaten-Lösung nicht aufzugeben. In Israel löste das Besorgnis aus, Netanjahu befürchtet international diktierte Friedensbedingungen. Wie ein Mantra betont er, dass er nur zu direkten Verhandlungen mit den Palästinensern bereit sei.

Auch Paris beteuert stets, dass letztlich nur direkte Gespräche eine Lösung bringen könnten. «Aber im Moment ist alles blockiert», beklagte Außenminister Jean-Marc Ayrault vor wenigen Tagen in einem Radiointerview. «Alles ist blockiert, nichts passiert.» Auf einer ersten Konferenz mit rund 30 Ländern und Organisationen im vergangenen Juni hatten sich die Teilnehmer deshalb verständigt, Anreize zu erarbeiten, um Israelis und Palästinenser zu neuen Gesprächen zu bewegen. Nun sollen Vorschläge diskutiert werden.

«Die Pariser Konferenz wird auf dem Weg zu einer Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts ganz klar nicht bahnbrechend sein», schrieb Nimrod Goren von der israelischen Denkfabrik Mitvim in der Zeitung «Haaretz».

Doch sie könne etwa Fortschritte bringen bei der Suche nach neuen internationalen Mechanismen, um auf eine Lösung des Konfliktes hinzuarbeiten. Doch die große Unbekannte ist die Nahostpolitik des künftigen US-Präsidenten Trump. Netanjahu jedenfalls hofft auf eine Kehrtwende, der Republikaner hat Verständnis für die Siedlungspolitik erkennen lassen. Daher könnte Israels Regierungschef versuchen, die Pariser Konferenz einfach auszusitzen, in Erwartung des raschen Anbruchs einer neuen Ära in seinem Sinne. Und Paris und Washington könnten umso mehr bedacht sein, nochmal ein klares Zeichen zu setzen. Israels stellvertretende Außenministerin Zipi Chotoveli griff die internationale Gemeinschaft nach dem tödlichen Lastwagen-Anschlag in Jerusalem scharf an. Die Attacke, bei der vier israelische Soldaten getötet wurden, sei ein Beweis, dass die Palästinenser kein echtes Interesse an Frieden hätten, sagte Chotoveli, die zum rechten Flügel der Regierungspartei Likud gehört. «Die Welt hat eine klare Antwort der Palästinenser auf die Pariser Friedenskonferenz erhalten: mehr Terror», sagte Chotoveli.

Für die Palästinenserführung stellt sich die Pariser Konferenz dagegen als möglicherweise letzte Chance zur Rettung der Zwei-Staaten-Lösung dar. Israels ultrarechter Erziehungsminister Naftali Bennett hat angekündigt, nach Trumps Amtsantritt werde man «Palästina von der Tagesordnung nehmen». Das will Frankreich verhindern: Wenn die Perspektive eines Palästinenserstaats sich entferne, sei dies eine echte Gefahr für Israel, warnte Ayrault im Sender Europe 1. «In den Palästinensergebieten entwickelt sich eine sehr große Frustration.» (dpa)