Nahost-Experte Steinbach hält Entscheidung über Syrieneinsatz für überstürzt

Der Nahost-Experte Udo Steinbach hält die Entscheidung des Bundestages über den Syrieneinsatz der Bundeswehr für überstürzt. "Man hat kein klares Ziel vor Augen und ist weitgehend unvorbereitet", sagte Steinbach der Oldenburger "Nordwest-Zeitung" (Freitagsausgabe). Militärisch werde der Islamische Staat zwar zu schlagen sein. Wenn der Westen gemeinsam mit Russland systematisch vorgehe, könne der Einsatz nach einem Jahr beendet sein. Das eigentliche Problem des militanten Islamismus werde damit aber nicht gelöst.

Der IS sei nur "ein Oberbegriff für verschiedene Gruppen militanter Islamisten, die sich dann wieder neu organisieren werden." Deutschland und seine Partner müssten sich auf eine lange andauernde Konfrontation einstellen, erklärte der Professor der Humboldt-Viadrina School of Governance in Berlin. Der Bundestag wollte am Freitag über den Bundeswehreinsatz entscheiden.

Ein militärischer Sieg sei zudem ohne Bodentruppen nicht zu erreichen, betonte Steinbach. Die müssten aus dem Irak, aus Syrien und gegebenenfalls aus der Türkei gestellt werden. Wenn Deutschland, Frankreich oder Großbritannien Soldaten nach Syrien schicke, gefährde das die Akzeptanz der Militäroperation in Syrien, erläuterte der Nahost-Experte. "Und dann hätten wir eine Situation wie nach dem Irak-Krieg."

Unterdessen hat Justizminister Heiko Maas (SPD) vor der Bundestagsentscheidung über die Bundeswehr-Beteiligung am Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischen Staat (IS) in Syrien verteidigt. "Die Deutschen können sicher sein: Der Syrien-Einsatz der Bundeswehr verstößt weder gegen das Völkerrecht noch gegen das Grundgesetz", sagte er dem "Tagesspiegel".

Der Bundestag entscheidet am Vormittag über den geplanten Bundeswehr-Einsatz. Vorgesehen ist, dass bis zu 1200 Soldaten mit sechs Aufklärungsflugzeugen, einem Tankflugzeug, Satellitentechnik sowie einer Fregatte den Kampf gegen den IS unterstützen sollen.

Eine breite Mehrheit im Bundestag gilt als sicher. Grüne und Linke wollen gegen die Regierungspläne stimmen. Während die Linke den Militäreinsatz grundsätzlich ablehnt, kritisieren die Grünen vorrangig das Fehlen einer plausiblen Strategie.

Maas verwies auf eine vom Bundesverfassungsgericht 1994 getroffene Entscheidung, wonach Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen eines 'Systems kollektiver Sicherheit' möglich seien. "Es gibt drei Resolutionen des UN-Sicherheitsrates gegen den IS, die das vorliegende Mandat abdecken. Nach dem EU-Grundlagenvertrag kann sich Frankreich zudem mit vollem Recht auf die Beistandsverpflichtung seiner EU-Partner berufen", zitiert der "Tagesspiegel" den Minister.

Auch völkerrechtlich sei das Mandat "zweifelsfrei gedeckt", sagte Maas: "Frankreich kann sich auf das in Artikel 51 der UN-Charta verbriefte kollektive Selbstverteidigungsrecht berufen." Maas fügte hinzu, er halte den Einsatz nicht nur für rechtmäßig, sondern auch für notwendig: "Wir müssen diese terroristische Mörderbande stoppen. Das wird nicht allein mit militärischen Mitteln gelingen, aber eben auch nicht ohne."

Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warb für den Syrien-Einsatz der Bundeswehr. Er hob im ARD-"Morgenmagazin" hervor, dass es auch in der Bevölkerung große Zustimmung zu der geplanten Mission gebe. "Die Deutschen haben ein gutes Gespür dafür, dass der Islamische Staat nicht nur Frankreich bedroht, sondern den ganzen Weltfrieden und am Ende auch uns Deutsche", sagte er. Weiterer Grund für die deutsche Beteiligung am Kampf gegen die Dschihadistenmiliz sei, dass Deutschland Solidarität mit Frankreich übe.

Die Bundesbürger hätten "keine Neigung, die Soldaten in leichtfertige Abenteuer zu schicken", fügte Oppermann hinzu. Das militärische Ziel der Luftangriffe sei eindeutig: Es gehe darum, dass sich der IS nicht noch weiter ausbreiten könne. Der SPD-Politiker betonte zugleich, dass keine europäische Armee oder deutsche Soldaten als Bodentruppen nach Syrien geschickt würden. "Aber wir müssen denen, die gegen den IS am Boden kämpfen, auch alle Unterstützung gewähren", sagte er.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte im ARD-"Morgenmagazin", es gebe anstelle eines Militäreinsatzes viele Maßnahmen, "die sofort ergriffen werden könnten". "Der Ölhandel blüht weiter, die internationale Gemeinschaft handelt mit dem IS, die IS-Konten sind nicht gesperrt", sagte Bartsch. Durch den Militäreinsatz werde der Islamische Staat eher noch gestärkt und gewinne neue Anhänger, mahnte der Linken-Politiker. (epd/AFP)