Nach Protesten im Irak: Regierung plant Generalüberholung des Energiesektors

Chronische Stromausfälle, veraltete Elektrizitätsnetze, unbezahlte Rechnungen - nach Jahren voller Konflikte, Korruption und Misswirtschaft ist der irakische Stromsektor in einem schlimmen Zustand. Angesichts wütender Proteste gegen die Stromausfälle und drohender Sanktionen der USA, sollte der Irak nicht seine Strom- und Gasimporte aus dem Iran einstellen, hat sich die Regierung nun an eine lange überfällige Generalüberholung gemacht. Eine wichtige Rolle dabei soll Siemens spielen.

Im Oktober unterzeichnete Konzernchef Joe Kaeser eine Absichtserklärung mit dem Elektrizitätsministerium in Bagdad für einen Auftrag zur Sanierung des Stromsektors mit einem Volumen von zehn Milliarden Dollar. Mit dem US-Konkurrenten General Electric wurde ebenfalls eine Absichtserklärung für einen Auftrag von 15 Milliarden Dollar geschlossen. Binnen fünf Jahren sollen sie die Stromproduktion mehr als verdoppeln.

Bisher müssen Millionen Iraker damit leben, dass sie über Stunden keinen Strom erhalten. Das Land produziert nur 16.000 Megawatt, obwohl die Nachfrage um die 24.000 liegt. Im Sommer, wenn die Temperaturen auf 50 Grad Celsius steigen und im ganzen Land die Klimaanlagen anspringen, kann die Nachfrage sogar 30.000 Megawatt erreichen. Millionen Iraker müssen dann bis zu 20 Stunden am Tag ohne Strom auskommen.

Ein Grund für die Knappheit ist laut dem Irakischen Energieinstitut (IEI), dass in den veralteten Netzen 30 bis 50 Prozent des Stroms verloren gehen. Hinzu kommt, dass seit 2014 viele Kraftwerke, Pipelines und Stromleitungen im Kampf mit der IS-Miliz zerstört wurden. Siemens und General Electric sollen nun in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass die Stromerzeugung um 24.000 auf 40.000 Megawatt ausgeweitet wird.

Elektrizitätsminister Luai al-Chatib hat die beiden Konzerne zudem beauftragt, einen Plan zu entwickeln, um die Produktion bis zum Sommer deutlich zu steigern, wie sein Sprecher Musab al-Mudarris sagt. Denn sonst drohen der Regierung erneut wütende Proteste. Um dies zu finanzieren, wurde Ende November zwischen General Electric, Standard Chartered und der Irakischen Handelsbank ein Deal von 600 Millionen Dollar vereinbart.

Neben den Protesten setzen Bagdad vor allem die neuen Iran-Sanktionen der USA unter Druck. Washington hat dem Irak nach Inkrafttreten der neuen Sanktionen gegen den iranischen Ölsektor Anfang November 45 Tage gegeben, um einen Plan vorzulegen, wie es seine Gas- und Stromimporte aus dem Nachbarland reduzieren will. Bisher importiert Bagdad 28 Millionen Kubikmeter Erdgas und 1300 Megawatt Strom aus dem Iran.

Laut dem Ministeriumssprecher Al-Mudarris will der Irak binnen 18 Monaten seine Stromimporte aus dem Nachbarland auf Null bringen. In Kürze werde das Elektrizitätsministerium den USA zudem einen Fünf-Jahres-Plan vorlegen, wie es seine Gasimporte senken wolle. Sollte Washington zustimmen, könnte der Irak "ein oder zwei Jahre" weiter iranisches Gas importieren, sagt Al-Mudarris. Eine "schnelle Lösung" gebe es jedoch nicht.

Der Irak verfügt zwar über 153 Milliarden Barrel an Ölreserven, doch ist er zum Betrieb seiner Turbinen auf Gasimporte angewiesen. Um den USA entgegenzukommen, will Bagdad künftig zumindest die iranischen Stromimporte durch Elektrizität aus der Türkei, Jordanien und Kuwait ersetzen. Allerdings schuldet Bagdad dem Iran noch 800 Millionen Dollar für Gas und 350 Millionen für Strom, wie aus dem Haushaltsentwurf für 2019 hervorgeht.

Um die Einnahmen zu erhöhen, setzt die Regierung auf Privatfirmen, die bei den Haushalten ausstehende Stromrechnungen eintreiben. Laut Al-Mudarris werden bisher rund 60 Prozent des Stroms nicht bezahlt. Werden die Kunden zum Zahlen gezwungen, so die Logik, reduzieren sie den Verbrauch, so dass mehr Strom für Andere zur Verfügung steht. Erste Schritte zur Sanierung des Stromsektors sind also getan, doch die Zeit drängt. (AFP)