Nach Fischereiabkommen mit Marokko: Zukunft der Westsahara weiterhin ungewiss

Mit der Zustimmung des EU-Parlaments zu einem Fischereiabkommen mit Marokko ist auch der Westsahara-Konflikt wieder Thema in der Europäischen Union. Trotz Verhandlungen der Konfliktparteien ist eine Lösung nicht in Sicht. Von Sarah Mersch

Die Westsahara ist wieder ins Blickfeld der internationalen Politik geraten. Ein Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko, das jüngst vom EU-Parlament angenommen wurde, hat die Problematik des ungeklärten Status' der Region erneut verdeutlicht. EU-Schiffe dürfen laut der Vereinbarung vor der marokkanischen Küste fischen. Ein großer Teil dieser Küste liegt jedoch vor der Westsahara.

Marokko beansprucht den Küstenstreifen von der ungefähren Größe der alten Bundesrepublik für sich. Das Königreich annektierte die ehemalige spanische Kolonie, was international jedoch nicht anerkannt wurde. Die Unabhängigkeitsbewegung Polisario führte 15 Jahre Krieg gegen Marokko, um einen eigenständigen Staat zu erreichen. Seit 1991 gilt ein Waffenstillstand. Die Verhandlungen zwischen Marokko und Polisario wurden nach sechs Jahren Unterbrechung zwar im Dezember wieder aufgenommen. Doch eine Lösung des seit Jahrzehnten schwelenden Konflikts ist nicht in Sicht.

Das Fischereiabkommen stößt entsprechend bei Vertretern der Polisario, aber auch bei Menschenrechtsorganisationen und bei Grünen und Linken im Europaparlament auf Kritik. Das Abkommen legitimiere die Besetzung der Westsahara, erklärte die Fraktion der Linken nach der Abstimmung.

Am meisten kritisiert wird dabei, dass Vertreter der Westsahara nicht an den Verhandlungen beteiligt waren. Doch mehr als 90 Prozent der Fische, die von europäischen Flotten in der Region gefangen werden, stammt laut dem Fischereiausschuss des EU-Parlaments aus Gewässern vor der Küste der Westsahara.

«Das Abkommen könnte internationales Recht verletzen», erklärte die EU-Direktorin von Human Rights Watch, Lotte Leicht. Sie rief die Abgeordneten auf, den Vertrag vom Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen. Das Gericht hat bei einer ersten Fassung des EU-Vertrags festgestellt, dass Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko keine rechtliche Grundlage hätten, um die Westsahara einzuschließen. Auch für die Zukunft könnte das Abkommen weitreichende Folgen haben, denn unter dem Sand der Westsahara werden zahlreiche Rohstoffe vermutet, darunter Phosphor, der schon ausgebeutet wird.

Die EU-Mitgliedsstaaten vertreten unterschiedliche Positionen in Bezug auf den Westsahara-Konflikt. Während unter anderen Frankreich und Spanien Marokko unterstützen hat sich das schwedische Parlament 2012 für ein Anerkennung der Westsahara ausgesprochen. Die Afrikanische Union erkannte die Demokratische Arabische Republik Sahara 1984 an, worauf Marokko aus Protest austrat und erst 2017 zurückkehrte.

In dem Jahr ernannte UN-Generalsekretär António Guterres den früheren Bundespräsidenten Horst Köhler zum Sondergesandten für die Westsahara. Seitdem sei Bewegung in die Verhandlungen gekommen, sagen Menschenrechtler. Nach einer Verhandlungsrunde in Genf im Dezember stehen im März erneut Gespräche an. Niemand gewinne durch die Aufrechterhaltung des Status quo, sagte Köhler. Ziel sei es, eine friedliche Lösung zu finden, «um ein Umfeld zu schaffen für starkes wirtschaftliches Wachstum, mehr Arbeitsplätze und eine bessere Sicherheit».

Köhler steht unter Druck der Vereinten Nationen. Über den Waffenstillstand wacht seit 1991 eine UN-Mission, deren Zukunft ungewiss ist. Vor allem die USA wollen ihre Auflösung. Sie haben erwirkt, dass das Mandat zuletzt nur um ein halbes, statt wie bisher um ein ganzes Jahr verlängert wurde.

Vereinbart war neben dem Waffenstillstand, dass die Bevölkerung über eine Unabhängigkeit abstimmen kann. Doch das geplante Referendum kam nie zustande, da sich die Konfliktparteien nicht einigen konnten, wer überhaupt wahlberechtigt ist. Ungefähr zwei Drittel der derzeit geschätzt 550.000 Bewohner der Westsahara sind Marokkaner. Der Staat unterstützt die Ansiedlung seiner Bürger in dem marokkanisch kontrollierten Gebiet.

Menschenrechtler prangern zugleich den Umgang der marokkanischen Behörden mit Kritikern an. Friedliche Demonstrationen von sahrauischen Aktivisten würden auf von Marokko kontrolliertem Gebiet quasi systematisch mit unverhältnismäßiger Gewalt unterdrückt, sagt Yasmine Kacha vom Regionalbüro von Amnesty International in Tunis.

Doch die UN-Mission ist die einzige weltweit, die kein Mandat zur Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte hat. Amnesty und andere Organisationen fordern seit Jahren eine Ausweitung des Mandats. Zudem müsse Journalisten und internationalen Organisationen den Zugang zur Westsahara sowohl auf marokkanischem Gebiet als auch zu den Flüchtlingslagern in Tindouf im Süden von Algerien erleichtert werden. (epd)