Nach den Anschlägen von Paris: Frankophile Imame gesucht

Als Reaktion auf die Terroranschläge im Januar fördert die Regierung in Paris einen Islam französischer Prägung. Am Grundsatz der Laizität soll aber nicht gerüttelt werden. Ein neues Gesetz verpflichtet private Kinderhorte zu religiöser Neutralität. Von Martina Zimmermann

«Die Laizität - ein neuer Kampfsport?» kommentierte unlängst die französische Tageszeitung «Sud Ouest» eine Umfrage. Danach ist die strikte Trennung von Staat und Religion mittlerweile für 46 Prozent der Franzosen noch vor dem Wahlrecht und weit vor der Versammlungsfreiheit der wichtigste Wert der Republik. 2008 wurde das Wahlrecht (41 Prozent) noch für wichtiger gehalten als die Laizität (30 Prozent). Die Terroranschläge von Paris im Januar könnten ein Motiv dieses Wertewandels sein.

In Reaktion auf die Terroranschläge möchte der französische Regierungschef Manuel Valls künftig in Frankreich ausgebildete Imame, «die Franzosen sind, die Französisch sprechen, die Frankreich lieben und seine universellen Werte». Dafür werde das laizistische Frankreich«die Mittel bereitstellen»«, kündigte Valls Anfang März bei einem Besuch in Straßburg an. Dort wird an der Universität seit 2011 ein Diplomkurs »Recht, Gesellschaft und Pluralität der Religionen« angeboten. Nach den Plänen der Pariser Regierung soll dieser Kurs künftig Imame über den Ort der Religionen im laizistischen Staat informieren und bis zum Jahresende landesweit an zwölf Hochschulen angeboten werden.

Wie genau das in der Praxis aussehen soll, will die Regierung in Konsultationen mit einer neuen Islaminstanz klären, die die schätzungsweise fünf bis sechs Millionen Muslime repräsentieren soll. Der für »Kultusfragen« zuständige Innenminister Bernard Cazeneuve hatte die Schaffung des neuen Gremiums kürzlich in der Tageszeitung »Le Monde« angekündigt. Gilt doch der 2003 vom damaligen Innenminister Nicolas Sarkozy initiierte »Französische Rat der Muslime« als begrenzt repräsentativ. An den Ratswahlen im vergangenen Jahr nahmen nur 900 der insgesamt 2.500 Moscheen teil. In der neuen Dialog-Instanz sollen auch der Rat der Muslime, regionale Organisationen und muslimische Intellektuelle mitwirken.

Komplizierter gestaltet sich die Frage der Finanzierung von Moscheen durch ausländische Staaten. Der französische Staat darf alternativ dafür nicht in die Kasse greifen. Mit der Förderung eines »Islam französischer Prägung« will die Regierung gegen die Radikalisierung von Muslimen kämpfen - und gegen den rechtsextremen Front National: Für Premier Valls zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Doch zunächst einmal berät am Donnerstag die Nationalversammlung in erster Lesung einen Gesetzentwurf, der auch für private Kinderkrippen den Grundsatz der Laizität vorschreibt. Danach soll in privaten Kindertagesstätten religiöse Neutralität gelten, wenn sie öffentliche Gelder erhalten. In anderen Fällen können sie per Hausordnung »die religiöse Meinungsfreiheit einschränken für ihre Angestellten, die mit Kindern oder Minderjährigen in Kontakt sind«.

Nur in konfessionellen Kindergärten sollen diese Einschränkungen nicht gelten. Wenn konfessionelle Kinderhorte öffentliche Gelder erhalten, müssen sie allerdings alle Kinder aufnehmen, »ohne Unterschied von Herkunft, Meinung oder Glauben«. Dieselbe Regelung gibt es bereits für katholische Privatschulen, die mit dem Staat vertraglich verbunden sind. Tagesmütter und Kindermädchen dürfen weiterhin zum Beispiel ein Kopftuch tragen.

Das neue Gesetz ist eine Antwort auf die sogenannte Baby-Loup-Affäre: Der Kassationsgerichtshof hatte vor einem Jahr die Entlassung einer Kindergärtnerin, die ein Kopftuch trug, für nicht zulässig erklärt. Die Richter argumentierten, die stelle »eine Diskriminierung wegen einer religiösen Überzeugung« dar. Anders als in einer staatlichen Behörde könne in einem privaten Betrieb von den Angestellten keine Neutralität in Glaubensfragen verlangt werden.

Das Kopftuchverbot gilt bisher für Schulen und Behörden, nicht aber für französische Universitäten. Anfang Februar wurde ein Professor entlassen, der es abgelehnt hatte, vor einer verschleierten Studentin zu unterrichten. Daraufhin wurde einmal mehr der Ruf laut nach einem Kopftuchverbot in den Universitätsgebäuden. Hardliner im konservativen Lager äußerten sich dafür, gemäßigte Konservative wie der potenzielle Präsidentschaftskandidat Alain Juppé sprachen sich dagegen aus. Auch die sozialistische Staatssekretärin für Frauenrechte war dafür, aber Premierminister Manuel Valls sprach ein Machtwort: Die Frage sei »absolut nicht aktuell". (epd)