Nach den Angriffen in Syrien: Sorge vor Eskalation zwischen Israel und Iran

Schwere Raketenangriffe in Syrien haben die Sorge vor einem direkten militärischen Konflikt zwischen Israel und dem Iran geschürt. Bei den Attacken am späten Sonntagabend auf Militärziele in mehreren Teilen des Landes wurden der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge mindestens 26 Menschen getötet und 60 weitere verletzt. Verschiedene Staatsmedien äußerten die Vermutung, Israel stecke hinter den Angriffen und habe iranische Stellungen bombardieren wollen.

Israels Militär äußerte sich nicht. Geheimdienstminister Israel Katz forderte jedoch: «Der Iran muss sich aus Syrien zurückziehen». Israel habe auf allen Ebenen eindeutig klargemacht, dass es dem Aufbau einer iranischen Front im Norden Syriens nicht zustimmen wird. Man werde «alles unternehmen, was notwendig ist».

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wollte am Montagabend überraschend eine Rede über eine «entscheidende Entwicklung in der Frage des Atomabkommens mit dem Iran» halten. Zuvor war sein Sicherheitskabinett in Tel Aviv zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengekommen. Israelische Medien berichteten, Netanjahu wolle «dramatische» Geheimdienstinformationen vorlegen, die angeblich bewiesen, dass Teheran gegen das Atomabkommen von 2015 verstoßen habe.

Der russische Präsident Wladimir Putin und sein französischer Amtskollege Emmanuel Macron bekräftigten am Montag bei einem Telefonat ihren Willen, am Atomabkommen mit dem Iran festzuhalten. Das teilte der Kreml in Moskau am Montag mit. Macron schrieb nach dem Gespräch bei dem Kurznachrichtendienst Twitter: «Iran darf niemals in Besitz einer Atomwaffe gelangen. Die Stabilität der Region und die internationale Sicherheit hängen davon ab. Wir arbeiten daran.»

US-Präsident Donald Trump muss bis zum 12. Mai entscheiden, ob von den USA ausgesetzte Sanktionen gegen den Iran außer Kraft bleiben. Dies wird de facto auch als Entscheidung über den Verbleib der USA in dem Abkommen angesehen. Die Trump-Administration stellt den Atomdeal mit dem Iran von 2015 in Frage.

Teheran hat jedoch mehrfach betont, dass es nicht zu einer Nachverhandlung bereit ist. Am Montag sagte Vizeaußenminister Abbas Araghchi sogar, das Abkommen sei angesichts eines ausbleibenden wirtschaftlichen Aufschwungs in seiner derzeitigen Form nicht mehr tragbar. So sind Großbanken aus Sorge vor möglichen Strafmaßnahmen der USA kaum zur Finanzierung von Handelsprojekten im Iran bereit.

Die meisten Todesopfer am Sonntag in Syrien gab es laut den Menschenrechtlern bei dem Angriff auf das Hauptquartier der 47. Brigade westlich der Stadt Hama im Zentrum des Landes. In dem bombardierten Gebiet sind auch mit Syrien verbündete iranische Truppen stationiert. Die meisten der Opfer seien Iraner, hieß es von den Menschenrechtlern. Der Iran dementierte über seine Nachrichtenagentur Isna dagegen, dass auch iranische Soldaten getötet worden seien. Isna selbst hatte zuvor unter Berufung auf ausländische Quellen von 18 toten Iranern berichtet.

Stunden vor den Angriffen, die unter anderem auch nahe Aleppo einschlugen, hatte Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman erklärt, die Streitkräfte behielten sich weitere Einsätze in Syrien vor. Israel hat immer wieder betont, es werde keinesfalls dulden, dass sein Erzfeind Iran sich dauerhaft militärisch im Nachbarland Syrien festsetzt.

«Teheran ruft regelmäßig zur Zerstörung Israels auf», sagte der ehemalige israelische Militärgeheimdienstchef Amos Jadlin am Montag in Tel Aviv. Jetzt baue der islamische Gottesstaat in Syrien noch entsprechende militärische Fähigkeiten aus, zum Beispiel zielgenaue, hochmoderne Raketen, die Israels Luftwaffe bedrohten. «Wenn man eine Absicht erkennt, und den Ausbau der Fähigkeiten, diese Absicht umzusetzen, wird man alles unternehmen, um dies zu verhindern», sagt Jadlin.

Teheran ist neben Russland und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah der wichtigste Verbündete des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Der Iran hatte in den vergangenen Monaten seine militärische Präsenz im Land weiter ausgebaut und unter anderem viele Waffen nach Syrien geschickt. Das schiitsche Land finanziert dabei auch die Hisbollah und vermutlich auch etliche lokale Milizen.

Israel hatte in den vergangenen Monaten deshalb immer wieder Angriffe gegen Ziele in Syrien geflogen. So hatten Syrien und seine Verbündeten Israels Luftwaffe für einen Angriff Anfang April verantwortlich gemacht, bei dem Aktivisten zufolge 14 Menschen getötet wurden - darunter 7 Iraner. Teheran drohte mit Vergeltung.

Netanjahu sagte am Sonntag nach einem Treffen mit dem neuen US-Außenminister Mike Pompeo: «Ich denke, die größte Bedrohung der Welt und unserer beiden Länder und aller Länder ist die Kombination des militanten Islams mit Atomwaffen, und speziell der Versuch des Irans, nukleare Waffen zu erlangen.»

Pompeo sagte in Israel, eine enge Zusammenarbeit mit Verbündeten wie dem jüdischen Staat sei «entscheidend für unsere Bemühungen, die destabilisierenden und bösartigen Aktivitäten des Irans im Nahen Osten und der ganzen Welt zu bremsen». Der Iran wolle den Nahen Osten dominieren und Israel habe das «Recht, sich selbst zu verteidigen».

Ex-Militärgeheimdienstchef Jadlin sieht das Risiko einer direkten und offenen Konfrontation zwischen Israel und dem Iran. Gleichzeitig hält er es für möglich, dass Teheran angesichts des starken Drucks seine Kräfte in Syrien wieder reduzieren könnte. (dpa)