Nach dem angekündigten Abzug: USA wollen Kurden in Syrien nicht im Stich lassen

Der angekündigte Abzug der USA aus Syrien weckt Sorgen bei Verbündeten, vor allem den Kurden. Bei einem Israel-Besuch bemüht sich US-Sicherheitsberater Bolton sichtlich, die Alliierten zu beruhigen. Von Sara Lemel

Die USA wollen nach den Worten von US-Sicherheitsberater John Bolton vor einem Abzug aus Syrien Garantien von der Türkei für die Kurden verlangen. Gleichzeitig sicherte Bolton Israel und weiteren Verbündeten in der Region fortwährende Unterstützung zu.

Ein Abzug aus dem Nordosten Syriens solle so geschehen, «dass die (Terrormiliz) Islamischer Staat geschlagen ist und sich nicht wieder erholen und erneut eine Bedrohung werden kann», sagte Bolton nach einem Treffen mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu.

Trump sagte am Sonntag: «Der Iran hasst den IS mehr als wir, wenn das möglich ist. Russland hasst den IS mehr als wir. Die Türkei hasst den Iran vielleicht nicht ganz so sehr wie wir.» Das alles seien Länder, die den IS hassten und die auch mehr tun könnten. Der US-Abzug werde nicht abgeschlossen, bevor der IS völlig verschwunden sei. Auf die Nachfrage, wie lang das wohl dauere, sagte Trump: «Es wird schnell gehen.»

Zuvor hatte Bolton betont, die USA wollten vor ihrem angekündigten Truppenabzug von der Türkei Garantien für die in Syrien kämpfenden Kurden verlangen. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates (NSC) in Washington bestätigte am Sonntag entsprechende Medienberichte.

In den USA gibt es unter anderem Sorgen darüber, was mit ihren kurdischen Alliierten im Kampf gegen die IS-Terrormiliz geschehen wird, sollte die Türkei sich stärker in Syrien einbringen. Hier geht es vor allem um die Truppen der kurdischen Miliz YPG, die die Türkei als Zweig der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als Terrororganisation ansieht. Sie galten lange Zeit als einer der verlässlichsten US-Verbündeten im Kampf gegen den IS. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte dagegen sogar eine Offensive gegen die YPG angekündigt.

«Wir denken nicht, dass die Türken Militäroperationen unternehmen sollten, die nicht voll mit den USA abgestimmt sind und denen die USA nicht zugestimmt haben», sagte Bolton. US-Präsident Donald Trump verlange ein entsprechendes Bekenntnis von seinem türkischen Kollegen Erdogan.

Die YPG beherrscht an der türkischen Grenze Gebiete. US-Außenminister Mike Pompeo hatte Ende der vergangenen Woche gesagt, man wolle sicherstellen, «dass die Türken die Kurden nicht abschlachten».

Pompeo will am Dienstag eine Reise durch acht arabische Länder im Nahen Osten antreten. Der Sprecher des türkischen Präsidenten, Ibrahim Kalin, sagte auf Boltons und Pompeos Bemerkungen hin am Sonntag laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, eine Terrorgruppe wie die YPG könne kein Alliierter der USA sein. Mit dem Kampf gegen die PKK und deren syrische Zweige verfolge die Türkei das Ziel, andere Kurden «aus der Tyrannei und Unterdrückung dieser Terrorgruppe zu befreien».

Bolton sagte bei seinem Israel-Besuch, man wolle «die Verteidigung Israels und unserer anderen Freunde in der Region absolut sicherstellen und sich auch um jene kümmern, die mit uns gegen den IS und andere Terrorgruppen gekämpft haben». An der US-Unterstützung für Israels Recht auf Selbstverteidigung könne kein Zweifel bestehen, betonte Bolton.

Netanjahu dankte Bolton und kündigte an, er wolle am Montag mit ihm die 1967 eroberten Golanhöhen besuchen - falls das Wetter dies erlaube. Bei einem Besuch des Plateaus werde Bolton «vollkommen verstehen, warum wir die Golanhöhen niemals verlassen werden und warum es so wichtig ist, dass andere Länder dies anerkennen», sagte Netanjahu.

Der Abzug der 2.000 US-Soldaten könnte nun deutlich langsamer vorangehen, als Trump dies vor Weihnachten in Aussicht gestellt hatte. «Zeitpläne entstehen aus der Erfüllung von Bedingungen und aus der Schaffung von Umständen, die wir sehen wollen», sagte Bolton. Er deutete auch an, dass die US-Präsenz im Süden Syrien länger erhalten werden könnte als die im Norden des Bürgerkriegslandes.

Die Türkei müsste nach Ansicht von US-Beamten erheblich von den USA unterstützt werden, um die Hauptverantwortung im Kampf gegen den IS in Syrien übernehmen zu können. Das «Wall Street Journal» berichtete am Wochenende unter Berufung auf namentlich nicht genannte hohe Regierungsquellen, die Türkei habe um Hilfe unter anderem für Luftangriffe, Transporte und Logistik gebeten. «Die türkischen Anfragen sind so umfangreich, dass, wenn voll erfüllt, das US-Militär seine Einbindung in Syrien vertiefen würde, statt sie zu reduzieren», heißt es in dem Bericht.

Trump hatte vor Weihnachten den Abzug der US-Truppen aus Syrien angeordnet. Per Twitter gab Trump an, dass Erdogan versichert habe, die Türkei könne die Überbleibsel des IS in Syrien «auslöschen». In dem «Wall Street Journal»-Bericht heißt es, im US-Verteidigungsministerium sei man skeptisch, ob die Türkei die Rolle der USA angemessen ersetzen könne. Bolton wird am Dienstag in der Türkei erwartet.

Am frühen Sonntagmorgen twitterte Bolton eine Warnung an die Adresse der syrischen Regierung, die Gespräche über den US-Abzug nicht als Einladung für den erneuten Einsatz von Chemiewaffen zu verstehen: «Auf jeden Gebrauch wird es eine schnelle, starke Antwort geben.»

Im Rahmen der Reisediplomatie vor dem Abzug der US-Truppen aus Syrien steht auch ein weiteres Treffen zwischen dem türkischen Präsidenten Erdogan und Kreml-Chef Wladimir Putin an. Das meldeten türkische und russische Medien am Sonntag. Der staatlichen türkischen Agentur Anadolu zufolge soll das Treffen noch im Januar stattfinden. Die Türkei unterstützt in Syrien oppositionelle Rebellen, Russland zusammen mit dem Iran die Regierung von Machthaber Baschar al-Assad. (dpa)