Misstrauen statt «Hand in Hand»: Verunsicherung in jüdisch-arabischer Yad-be-Yad-Schule

In der «Hand-in-Hand-Schule» in Jerusalem gehen Juden, Muslime und Christen seit Jahren gemeinsam zum Unterricht. Doch nach mehreren gewaltsamen Zwischenfällen ist das Klima an der Schule inzwischen von Angst geprägt. Von Silke Heine

Rema Ibarah war selbst während der Zweiten Intifada nie hoffnungslos. Damals, 2001, schulte sie ihren ältesten Sohn Tamer an der Schule Yad-be-Yad (Hand in Hand) ein. Die arabische Mutter aus Beit Safafa südlich von Jerusalem kann sich erinnern, dass jüdische und arabische Schüler und Eltern im Schulhof saßen und gemeinsam das jüdische Laubhüttenfest Sukkot feierten. «Ich erinnere mich, dass über uns Armeehubschrauber Richtung Ramallah flogen. Kurz zuvor waren dort zwei israelische Soldaten ermordet worden. In dieser Situation eine jüdisch-arabische Schule zu betreiben, war absolut bizarr.» Ibarah glaubte damals, es könne nicht schlimmer kommen.

Heute kämpft sie mit den Tränen. Nach Tochter Talah besucht inzwischen auch ihr zehnjähriger Sohn Omayr die bilinguale Schule, an der neben Muslimen und Juden auch Christen unterrichtet werden. Allmählich schwindet Remas Hoffnung auf ein friedliches Miteinander - auf jenes «Hand in Hand», das der Schulname verspricht. In den vergangenen zwei Jahren gab es in Jerusalem immer wieder Messerattacken von Palästinensern auf Juden, zuletzt an diesem Montag auf eine 24-Jährige, die ihren Verletzungen erlag; jüdische und arabische Jugendliche wurden entführt und ermordet.

Angst und Misstrauen beherrschen beide Seiten. Viele Beobachter sprechen angesichts der ausufernden Gewalt bereits von einer «dritten Intifada». Vor etwa einem Jahr warfen junge orthodoxe Juden einen Brandsatz auf die Yad-be-Yad-Schule. Ein Klassenzimmer brannte aus; auf die Schulwände sprühten die Täter «Tod den Arabern» und «Man kann nicht mit einem Krebsgeschwür leben».

Sprachtherapeutin Ibarah sagt, der Rassismus habe im ganzen Land zugenommen: «Das ist die schwierigste Zeit, die ich je in Jerusalem erlebt habe. Ich bin hier geboren, habe so viele Kriege erlebt und Palästinenseraufstände. Aber das, was im vergangenen Jahr in Jerusalem passiert ist, ist schlimmer als alles zuvor.» Ihren Sohn Omayr fährt sie jetzt direkt bis zum Wachmann der Schule; und dort holt sie ihn nach dem Unterricht wieder ab.

Früher, sagt Omayr, ein leidenschaftlicher FC-Bayern-Fan, habe er mit seinen Freunden nach dem Unterricht vor der Schule Fußball gespielt - mit seinen jüdischen und christlichen Freunden ebenso wie mit den muslimischen. Nach dem Brandanschlag, so der Zehnjährige, habe er nachts nicht mehr schlafen können. Er ist froh, dass die Täter mittlerweile zu einer Haftstrafe verurteilt wurden.

Der Junge kann nicht verstehen, dass Menschen sich derart hassen: «Wenn ich mit meinen Freunden streite, dann geht es höchstens um Fußball.» Sein bester Freund sei Christ. «Weil ich seine Feste kennenlernen will, durfte ich hier an Weihnachten einen Christbaum aufstellen», erzählt Omayr. Rema Ibarah und ihrem Mann, einem Hautarzt, ist es wichtig, dass ihre Kinder mit Kindern aus anderen Kulturen und Religionen befreundet sind. «Sonst würden sie nicht auf das wahre Leben vorbereitet.»

Ähnlich sieht das Keren Cohen-Gat. Die Diplomatin hat lange mit ihrer Familie in Finnland gelebt. Seit ihrer Rückkehr nach Israel besuchen ihr Sohn Ofek und die Tochter Ayelet auch die Yad-be-Yad-Schule. Der elfjährige Ofek erzählt von jüdischen Mitschülern, die auf dem Schulweg beschimpft und bespuckt würden, weil sie mit Arabern in eine Schule gingen.

Teil des Konzepts der Hand-in-Hand-Schule, die auch von der Jerusalem Foundation des verstorbenen Bürgermeisters Teddy Kollek getragen wird, sind gemeinsame Aktivitäten der Familien: Ausflüge in die Wüste Negev, Feste, Wanderungen - das soll es auch in schwierigen Zeiten geben. Cohen-Gat sagt, man lebe in Israel an der Seite von Arabern. Sie seien Bürger wie die jüdischen Israelis: «Dadurch, dass meine Kinder ihre Kultur und Sprache lernen, gibt es erst gar keine Angst vor dem Fremden.» Ziel sei ein «normales Zusammenleben».

Doch momentan ist dieser Zustand so weit entfernt wie lange nicht. Immerhin: Nach dem Brandanschlag auf die jüdisch-arabische Schule gab es viel Aufmerksamkeit. Abgeordnete kamen zu Besuch, und die Spenden flossen üppiger als sonst. Besonders eine Entwicklung bietet aus Sicht der Diplomatin Cohen-Gat Anlass zur Zuversicht: Nach dem Anschlag habe es besonders viele Schulanmeldungen gegeben. (KNA)

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Qantara-Dossier "Israelisch-palästinensischer Dialog"