Mindestens neun Tote bei Protesten gegen die Regierung im Irak

Im Irak sind am Sonntag bei erneuten Protesten gegen die Regierung mindestens neun Menschen von Sicherheitskräften getötet worden. Mehr als hundert Personen wurden nach Angaben von Polizei und Kliniken verletzt, als die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Bagdad und in mehreren Städten im Süden des Landes gegen die Demonstranten vorgingen.

Die Kundgebungen hatten Anfang Oktober begonnen und waren zwischenzeitlich abgeklungen. Inzwischen sind es die größten Proteste seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Saddam Hussein im Jahr 2003. Die Demonstranten fordern eine neue Verfassung und einen Austausch der politischen Eliten, die als korrupt und unfähig wahrgenommen werden. Von der Regierung eingebrachte Reformen weisen sie als unzureichend zurück.

In Nassirija kam es in der Nacht zum Sonntag zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, bei denen es nach Angaben von Rettungskräften neben zwei Toten auch fast 50 Verletzte gab.

Angeheizt wurden die Proteste durch die Anordnung des Bildungsministeriums, die Schulen im Südirak am Sonntag wieder zu öffnen. In Nassirija waren am Sonntag aber weiter alle Schulen geschlossen. Auch in Hilla, Diwanija, Nadschaf, Kut, Amara und Basra fand kein Unterricht statt.

Auch die meisten Verwaltungsgebäude in Nassirija waren geschlossen, weil Demonstranten die Eingänge blockierten. An vielen öffentlichen Gebäuden im Irak hängen seit Wochen Plakate mit der Aufschrift: "Geschlossen auf Befehl des Volkes". Die Demonstranten legten auch den Verkehr lahm. Nassirija war am Sonntag in zwei Teile geteilt, weil die Demonstranten auf den fünf Brücken über den Euphrat Barrikaden aus Autoreifen in Brand gesetzt hatten.

Auch in der Ölprovinz Basra waren Hauptverkehrsstraßen blockiert, darunter auch die Straße zu dem für den Import wichtigen Hafen Umm Qasr. In der Nähe des Hafens wurden am Sonntagvormittag zwei Demonstranten getötet, wie die Menschenrechtskommission der irakischen Regierung mitteilte. Wie ein AFP-Korrespondent berichtete, hatten Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf Demonstranten geschossen, um die Straße zum Hafen zu räumen.

Zusammenstöße mit Sicherheitskräften gab es in der Nacht auch in der Pilgerstadt Kerbela. Wie Demonstranten sagten, gerieten dort mehrere Häuser in Brand, weil Sicherheitskräfte und Demonstranten Brandsätze warfen.

Inmitten der Proteste war am Samstag US-Vizepräsident Mike Pence in den Irak gereist. Er besuchte US-Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Ain al-Assad im Westirak, den Präsident Donald Trump vor knapp einem Jahr ebenfalls besucht hatte. Danach reiste er nach Erbil, die Hauptstadt der autonomen Kurdenregion im Nordirak. Dort kam er mit dem Präsidenten der Kurdenregion, Netschirwan Barsani, und mit dem Ministerpräsidenten Barzani zusammen.

In die Hauptstadt Bagdad reiste Pence aus Sicherheitsgründen nicht. Er telefonierte nach irakischen Angaben lediglich mit dem irakischen Ministerpräsidenten Adel Abdel Mahdi. Iraks Präsident Barham Saleh war nach Angaben seines Büros nicht vorab über den Besuch des US-Vizepräsidenten informiert worden. Trump hatte bei seinem Blitzbesuch Ende 2018 nur die US-Truppen besucht und keine irakischen Politiker getroffen. (AFP/Reuters)