Michael Kleeberg und Goethes «Divan»: Ein Poetik-Dozent in der Kritik

Die 1959 gegründete Frankfurter Poetikdozentur ist die älteste Deutschlands. Jetzt hat der Romancier Michael Kleeberg in seiner Vorlesung mit Äußerungen zum Islam für Aufsehen an der Universität gesorgt. Von Thomas Maier

Michael Kleeberg («Vaterjahre») ist ein weitgereister Autor, der auch schon mehrfach im Libanon war. In seinem neuen Buch will sich der Berliner Romancier mit dem Zusammentreffen von orientalischer und westlicher Kultur beschäftigen. Er lehnt sich damit bewusst an Johann Wolfgang von Goethe an, der vor 200 Jahren die vom persischen Dichter Hafis inspirierte Gedichtsammlung «West-Östlicher Divan» verfasst hatte.

Über die Arbeiten an seinem neuen Roman hat der Schriftsteller in den vergangenen Wochen als Poetik-Dozent an der Goethe-Universität in Frankfurt berichtet. Doch in der dritten der fünf Vorlesungen kam es zum Eklat, als Kleeberg angesichts von Flüchtlings-Debatte und weltweiten IS-Anschlägen seine persönlichen Eindrücke zum Thema Islam referierte. Nach Kritik beim Publikum ging auch im Fach Germanistik die Geschäftsführung der Poetik-Dozentur - es ist die älteste und renommierteste Reihe überhaupt in Deutschland - mit einer Erklärung auf Distanz zu Kleeberg.

Zum Abschluss seines Zyklus hat der 57-jährige Autor am Mittwochabend im Literaturhaus seine umstrittenen Äußerungen als «Denkbewegung» verteidigt. Zuvor hatte auf dem Podium der Frankfurter Germanistik-Professor Heinz Drügh den Autor nochmals mit den umstrittenen Zitaten konfrontiert.

Kleeberg habe von einer deutschen Mehrheitskultur gesprochen, die sich auflösen wolle - und von einer Minderheitskultur, die sich durchsetzen wolle. Außerdem habe Deutschland die «irrsinnige Hoffnung», dass sich irgendwann das «Nazi-Gen» in einem «Multi-Kulti-Gen» aufgelöst haben werde, gab Drügh den Autor zum Thema Flüchtlingspolitik und deutsche Vergangenheit wieder.

Kleeberg entgegnete, dies seien isolierte einzelne Zitate. Die Aufnahme von einer Million Flüchtlingen in Deutschland habe jedoch viele Fragen und Ängste «aufgeworfen». Man müsse sich schon fragen, ob dies nicht das Gleichgewicht in Deutschland gefährde.

Große Ängste in Deutschland beim Thema Muslime und Flüchtlinge erkennt auch die Islamwissenschaftlerin Armina Omerika, die Kleeberg auf Wunsch der Universität auf dem Podium zur Seite gestellt wurde. Die Frankfurter Professorin wies jedoch darauf hin, dass nicht nur Muslime nach Deutschland gekommen seien, sondern auch orientalische Christen oder Menschen, die schon längst den Glauben verloren hätten.

In seinem neuen Buch will Kleeberg sich jedenfalls mit der positiven Begegnung von Menschen unterschiedlicher Kulturen beschäftigen. Sein «Romankonstrukt» werde weder polemisch, noch tendenziös oder apokalyptisch sein, versprach er.

Doch was hat dann den Autor, der sich Goethes in Frankfurt entstandenen «Divan» quasi zum Vorbild genommen hat, zu seinen Äußerungen bewogen? Geht es hier um eine «schizoide» Spaltung zwischen dem Schriftsteller und dem Privatmenschen Kleeberg, wie Drügh mutmaßt? Oder wollte er «unbequeme Wahrheiten» in seiner Vorlesung sagen oder gar einen «Aufmerksamkeitsteaser» schaffen? Das hat der Frankfurter Germanist als weitere Möglichkeiten in die Runde geworfen.

Letzteres dürfte nach dem Ablauf der Diskussion im überfüllten Frankfurter Literaturhaus kaum der Fall gewesen sein. Denn dem nervös wirkenden Kleeberg kam die große öffentliche Aufmerksamkeit, die seine Bemerkungen gefunden haben, alles andere als gelegen. Das machten auch seine weitschweifigen Erklärungen auf dem Podium deutlich.

Die Trennung zwischen seiner kreativ-künstlerischen Arbeit und seinen (politischen) Ansichten nahm er dann aber doch gerne für sich in Anspruch: «Ich bin niemand, der auf Meinungen sonderlich viel gibt, meine eigenen eingeschlossen.» (dpa)