Merkel mahnt bei Erdogan Demokratie an - Treffen mit Opposition

Die Kanzlerin findet gegenüber dem türkischen Präsidenten deutliche Worte. Und sie setzt mit einem Treffen mit Vertretern der Opposition ein Zeichen. Gemeinsamkeiten gibt es beim Kampf gegen den Terror.

Vor dem geplanten Referendum über die Einführung des umstrittenen Präsidialsystems in der Türkei hat Kanzlerin Angela Merkel die Einhaltung von Freiheitsrechten und Demokratie verlangt. Zugleich setzte sie in Ankara ein Zeichen, indem sie Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu und eine Delegation der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP traf.

Nach einem Gespräch mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mahnte Merkel, dass gerade in einer Phase tiefgreifenden Umbruchs nach dem Putschversuch im Juli 2016 alles dafür getan werden müsse, um Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit und die Vielfalt der Gesellschaft zu bewahren. Merkel vereinbarte mit Erdogan und dem türkischen Regierungschef Binali Yildirim eine engere Kooperation im Kampf gegen Terrorismus - wobei Erdogan die Begriffskopplung «islamistischer Terrorismus» inakzeptabel nannte, «denn Islam und Terror haben nichts miteinander zu tun»

Mit Blick auf die Pläne für das Präsidialsystem, das Erdogan mehr Macht verleihen würde, sagte Merkel: «Opposition gehört zu einer Demokratie dazu. Das erfahren wir alle miteinander jeden Tag in demokratischen Staaten.» Bei ihrem ersten Türkeibesuch nach dem Putschversuch vom Juli 2016 plädierte sie dafür, beim wohl Anfang April anstehenden Verfassungsreferendum über das Präsidialsystem unabhängige Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einzusetzen.

Die Mitte-Links Partei CHP, deren Vorsitzender Kilicdaroglu ist, und die pro-kurdische HDP sind gegen das Präsidialsystem, sie fürchten eine «Diktatur» in der Türkei. Die türkische Führung hält die HDP für den politischen Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Zurzeit sitzen elf HDP Abgeordnete wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft, darunter die Vorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag. Eine HDP-Parlamentarierin wurde außerdem verurteilt.

Merkel sagte, sie habe mit Erdogan auch ausführlich über die Pressefreiheit gesprochen. Details dazu nannte sie nicht. Sie mache sich auch Sorgen um den Umgang mit deutschen Journalisten in der Türkei. Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den gescheiterten Putsch verantwortlich und geht gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger, aber auch gegen Oppositionelle und Journalisten vor. Zehntausende Staatsbedienstete wurden seit vergangenem Sommer entlassen oder verhaftet.

Erdogan verteidigte den Vorstoß zur Einführung eines Präsidialsystems. Von einer Aufhebung der Gewaltenteilung, wie von der Opposition befürchtet, könne keine Rede sein. Merkel äußerte sich lobend darüber, dass die muslimischen Verbände in Deutschland sich klar gegen jede Form von Terrorismus eingesetzt hätten. «Ich möchte, dass die Menschen in der Türkei jedenfalls wissen, dass wir Muslime nicht nur achten und schätzen, sondern dass wir gut miteinander zusammenarbeiten wollen und gemeinsam gegen diesen schrecklichen Terrorismus kämpfen.»

Sie warnte die türkische Regierung außerdem davor, Anhänger Gülens in Deutschland zu bespitzeln. Gefragt zur Auslieferung von Gülen-Anhängern an die Türkei, verwies Merkel auf die Zuständigkeit unabhängiger Gerichte in Deutschland. Ankara fordert die Auslieferung von Gülen-Anhängern, gegen die in der Türkei ermittelt wird - darunter 40 türkische Nato-Soldaten, die Asylanträge in Deutschland gestellt haben. Ankara fordert, diese Anträge abzulehnen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wies dieses Ansinnen zurück. «Da gibt es keine Sonderregelung Türkei», sagte er der «Passauer Neuen Presse» (Freitag). «Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entscheidet individuell und allein auf Grund der gesetzlichen Vorgaben. Das gilt selbstverständlich auch für Asylanträge türkischer Antragsteller.» (dpa)

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