Merkel hält an Zwei-Staaten-Lösung fest

Am Protokoll wird deutlich: Deutschland erkennt Palästina weiterhin als Staat nicht an. Unterstützt Präsident Abbas dennoch. Die Palästinenser hätten ein "Recht auf ein wirtschaftlich und sozial gutes Leben", so Merkel. Von Jens Thurau

Vor dem Kanzleramt in Berlin weht neben der deutschen und der EU-Fahne an diesem Donnerstag auch die Fahne Palästinas. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas ist zu Gast bei  Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ein Arbeitsbesuch sei das, ist aus dem Kanzleramt zu hören, kein Staatsbesuch. Das war auch schon 2010 so, als Abbas erstmals im Kanzleramt war. Normalerweise werden Staatsoberhäupter bei ihren Antrittsbesuchen mit militärischen Ehren bedacht, nicht aber Abbas, schon damals nicht. Denn Deutschland erkennt Palästina als Staat nicht an, pflegt aber diplomatische Beziehungen zu den palästinensischen Autonomiegebieten auf einem reduzierten Level.

Aktuell erkennen 137 Staaten den unabhängigen Staat Palästina an, hinzukommen der Heilige Stuhl sowie die Demokratische Arabische Republik Sahara. Aber die meisten europäischen Länder, auch Deutschland, betrachten die Autonomiebehörde mit Sitz in Ramallah zwar als legitime Vertretung Palästinas, sehen darin aber keinen Staat. Das heißt: Die Beziehungen werden über General-Delegationen oder Missionen geführt, nicht über Botschaften. Das wird bei einem Besuch wie dem von Abbas an Kleinigkeiten deutlich. In der Regel hat ein Staatsbesuch bei aller Flexibilität einen immer gleichen Ablauf:

Der Bundespräsident empfängt den Gast im Schloss Bellevue, seinem ersten Amtssitz, zumeist mit militärischen Ehren, dann geht es ins Kanzleramt.  Abbas trifft in Berlin ebenfalls mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zusammen, aber erst nachdem er mit Merkel gesprochen hat. Das Treffen findet auch nicht im Schloss Bellevue statt, sondern in der Villa Borsig, dem Gästehaus der Auswärtigen Amtes am Tegeler See im Norden Berlins.

Auch wenn der diplomatische Status also unverändert ist, hat Präsident Abbas in Merkel und der Bundesregierung eine der wenigen  Fürsprecherinnen in einer den Palästinensern nicht nur wohlgesonnenen Welt. Wie schon seit Jahren erneuert die Bundeskanzlerin auch diesmal ihre Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung als Grundlage für einen Frieden im Nahen Osten, auch wenn der Prozess dafür eigentlich zum Erliegen gekommen ist. "Es muss zu einer politischen Lösung kommen, die dazu führt, dass sowohl das palästinensische als auch das israelische Volk in Frieden leben kann", sagt Merkel. Aber sie fügt hinzu, dass "sich das Ziel als immer schwieriger zu Erreichen herausstellt." Die USA haben ihre Hilfen für die palästinensischen Gebiete gekappt, Außenminister Mike Pompeo spricht auch nicht mehr von der Zwei-Staaten-Lösung als Grundlage für den Frieden. Eisige Zeiten für Palästina in einem ohnehin extrem unruhigen Umfeld.

Merkel weist aber immerhin noch darauf hin, dass Deutschland mit rund 110 Millionen Euro im vergangenen Jahr größter bilateraler Geldgeber für die Autonomiegebiete gewesen sein. Abbas fügt hinzu, die Amerikaner seien im Moment auf dem Weg zum Frieden "nicht hilfreich" für sein Volk. "Deswegen fordern wir, dass es zu Verhandlungen unter internationaler Begleitung kommt".

Abbas macht sich für ein Nahost-Quartett mit europäischen und arabischen Staaten stark, die mögliche Verhandlungen zwischen Palästinensern und Israel begleiteten. Nachdem Israel Ende Juli in Ost-Jerusalem 70 Häuser abgerissen hatte, drohte Abbas wutentbrannt damit, die Abkommen mit Israel von 1993 aufzukündigen, die einen Weg zum Frieden aufzeigen, aber nie wirklich umgesetzt wurden. Mit solchen Drohungen war Abbas allerdings schon öfter in die Öffentlichkeit gegangen, ohne dass er den Worten Taten folgen lies.

Noch ein kleines Zeichen für den Status Palästinas in Berlin: Fragen beantworten Merkel und Abbas nach den kurzen Presse-Statements nicht. Keine volle Anerkennung also in Berlin, auch nicht bei den Vereinten Nationen in New York. Im November 2012 wurde der Status der Delegation der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO) als "Staat Palästina" aufgewertet und gleichzeitig ein Beobachterstatus anerkannt. Bei der Abstimmung darüber enthielt sich Deutschland, während andere europäische Länder wie Österreich, die Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg dafür stimmten. Immerhin: Durch die Anerkennung als Nicht-Mitgliedstaat mit Beobachterstatus ermöglichten die Vereinten Nationen dem Staat Palästina, Klagen etwa beim  Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu erheben. Vollmitglied bei der UN sind die palästinensischen Gebiete aber immer noch nicht. (DW)