Margot Käßmann: «Diffuse Angst vor Islamisierung ist Unsinn»

Die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hält die Belastbarkeit durch den Flüchtlingszuzug nach Europa nicht für erreicht. «Wir leben auf einer Insel der Seligen. Auf keinem deutschen Tisch wird es Weihnachten an Essen fehlen, weil Flüchtlinge hier Zuflucht finden», sagte Käßmann dem in Berlin erscheinenden «Tagesspiegel» (Sonntagsausgabe).

Weltweit seien 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Im Libanon etwa, das nur vier Millionen Einwohner hat, würden bereits fast zwei Millionen Flüchtlinge leben: «Was heißt denn dann für uns Grenze der Belastbarkeit? Wo leiden denn Deutsche, weil Flüchtlinge im Land sind», fragte Käßmann.

Sie wolle die Belastung etwa für die Ehrenamtlichen nicht kleinreden, sagte die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende weiter. «Aber ich habe auch den Eindruck, dass teilweise Befürchtungen geschürt werden, die sich nicht mit der Erfahrung decken.» Angst hätten vor allem jene, «die keine Begegnungen mit Flüchtlingen haben».

«Ich wünsche mir, dass Menschen konkret sagen, was ihnen Sorge macht», sagte Käßmann weiter. So sei «die diffuse Angst etwa vor der Islamisierung» Unsinn. Zwei Drittel der Deutschen seien Mitglied einer Kirche. Insgesamt lebten etwa vier Millionen Muslime im Land, von denen viele säkularisiert seien. Und Extremisten gebe es auf allen Seiten: «Die einen werfen Brandsätze auf Flüchtlingswohnheime, andere lassen sich von Salafisten anwerben», sagte die Theologin.

Mit Blick auf die fremdenfeindlichen Demonstrationen der «Pegida»-Bewegung sagte Käßmann, «die Anhänger von 'Pegida' behaupten, sie würden das Abendland verteidigen. Das stimmt nicht.» Vielmehr würden die Kirchengemeinden das Abendland verteidigen, «indem sie Nächstenliebe praktizieren». Mindestens jede vierte Gemeinde unterstütze ganz konkret Flüchtlinge. «Allein 120.000 evangelische Ehrenamtliche helfen.» Sie habe selten «eine solche Einmütigkeit der leitenden Geistlichen und in den Gemeinden erlebt». Dass einige osteuropäische Staaten nur christliche Flüchtlinge aufnehmen wollen, bezeichnete Käßmann als «nicht christlich». (epd)