"Männerdominierte Theologie" im Islam: Kein islamisches Land gibt Frauen volle Rechte

Die muslimische Frauenrechtlerin und Autorin Fatma Akay-Türker hat angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan eine weit verbreitete Frauenfeindlichkeit in der islamischen Welt kritisiert. "Es gibt leider kein islamisches Land, in dem die Frauenrechte zufriedenstellend sind", sagte Akay-Türker am Sonntag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Entwicklung unter den Taliban mache sie tief betroffen und wütend. "Viele Frauen befinden sich gerade in Lebensgefahr. Ich denke auch an die Kinder und Jugendlichen, die wieder mit eingesperrten Müttern aufwachsen und dieses Frauenbild von klein auf vermittelt bekommen."



Als Hauptgrund für fehlende Frauenrechte sieht Akay-Türker eine "männerdominierte Theologie" im Islam. "Die gesamte klassische Koranexegese ist das Werk von Männern. Sie haben den Islam missbraucht, um ihr Patriarchat und ihre Macht zu rechtfertigen und die Frauen zu Menschen zweiter Klasse zu degradieren." Ein Mittel sei die spätere Erfindung frauenfeindlicher Prophetenaussagen (Hadithe) gewesen, die Mohammed von den Gelehrten nach seinem Tod in den Mund gelegt worden seien und die Frau zur Unterwerfung verpflichteten. "Damit wurde der Frau das Paradies nur dann gewährt, wenn sie ihrem Mann gehorcht. Das Seelenheil einer Person ist aber nie von einer anderen Person abhängig, sondern nur von Gott allein", so die türkischstämmige, in Österreich lebende Autorin.



Auch der Koran selbst werde von den meisten Imamen und Gelehrten gegen die Frau ausgelegt. So werde der Vers, wonach Männer ihre ungehorsamen Frauen schlagen dürfen, falsch gelesen. "Das arabische Verb daraba hat neben 'schlagen' noch über 30 andere Bedeutungen, zum Beispiel 'sich eine Weile von jemandem trennen'. Viele moderne Theologinnen und Theologen gehen davon aus, dass die Exegeten dem Vers absichtlich eine gewaltsame Bedeutung gaben."



Es gebe viele solcher Beispiele. So seien auch die drei Verschleierungsverse reine sogenannte Empfehlungsverse und bedeuteten keinesfalls eine Verpflichtung. "Frauen ohne Kopftuch sind keine schlechteren Musliminnen, wenn sie die zentralen Forderungen des Islam leben", betonte sie, "nämlich die Dankbarkeit und Liebe zu Gott und Gerechtigkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber jedem."



Die 1975 geborene Akay-Türker, promovierte Historikerin und islamische Religionslehrerin, trat 2020 als Frauenbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) zurück, aus Protest gegen das patriarchalische Regiment in dem Verband. (KNA)

 

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