Kurdisches Referendum als Druckmittel gegen Bagdad

Das umstrittene Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden sorgt in der Region für helle Aufregung und scharfe Kritik. Dabei dürfte der für kommenden Montag angesetzte Volksentscheid kaum zur direkten Abspaltung der autonomen Kurdenregion führen. Vielmehr ist die Abstimmung nach Einschätzung von Experten ein taktisches Manöver, um die Verhandlungsposition Erbils gegenüber der Zentralregierung in Bagdad zu stärken.

Seitdem Kurdenpräsident Massud Barsani im Juni angekündigt hat, die irakischen Kurden über die Unabhängigkeit abstimmen zu lassen, sind die Straßen der Regionalhauptstadt Erbil voller kurdischer Flaggen. Bei seinen Auftritten in Stadien und Hallen jubeln Barsani tausende Kurden zu. Außerhalb der Kurdenregion stoßen die Referendumspläne jedoch fast durchgehend auf Ablehnung und Kritik.

Außer Israel, das eine Unabhängigkeit der Kurden offen unterstützt, lehnen die Nachbarn ebenso wie die USA und die UNO das Referendum ab und dringen auf dessen Absage. Besonders die Türkei und der Iran warnen vor einem "Bürgerkrieg" und drohen mit Konsequenzen, sollte Erbil nicht beigeben. Sie fürchten, dass ihre eigenen kurdischen Minderheiten sich sonst ermutigt fühlen, selbst die Abspaltung zu suchen.

Vergangene Woche stimmte das Parlament in Bagdad gegen die Referendumspläne, da sie "verfassungswidrig" seien. Am Montag dann ordnete das Oberste Gericht des Irak die Aussetzung der Abstimmung an, bis es die Klagen dagegen geprüft habe. Aus dem Parlament hieß es, mindestens drei Abgeordnete hätten Verfassungsbeschwerde gegen den Volksentscheid eingereicht.

Zur Beruhigung der Kritiker hat Barsani versichert, dass ein Ja-Votum nicht unmittelbar zur Unabhängigkeitserklärung führen würde. Vielmehr wolle er "ernsthafte Diskussionen mit Bagdad", um "alle Probleme zu regeln". Wie der Irakspezialist Karim Pakzad vom Politikinstitut Iris erklärt, hofft Barsani auf mehr politischen Einfluss und die Anerkennung des Rechts der Kurden auf die Förderung und den Export ihres Erdöls.

Laut Pakzad geht es Barsani darum, aus einer Position der Stärke heraus über den Anteil Kurdistans am nationalen Haushalt sowie das Budget der kurdischen Peschmerga-Milizen zu verhandeln. Derzeit hat die Zentralregierung die Zahlungen an Erbil wegen des Streits um die kurdischen Ölexporte blockiert, die Bagdad als illegal betrachtet. Dies führt dazu, dass viele Staatsangestellte seit Monaten nur ein reduziertes Gehalt erhalten.

Der zweite Streitpunkt ist die Gebietsaufteilung: Die kurdischen Peschmerga-Einheiten haben die Kämpfe gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) seit 2014 genutzt, um weitere Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen. Besonders strittig ist der Status der ölreichen Provinz Kirkuk. Die ethnisch gemischte Provinz wird formell von Bagdad verwaltet, aber seit langem auch von Erbil beansprucht.

Die Provinzverwaltung hat entschieden, sich an dem Referendum zu beteiligen, woraufhin Bagdad den kurdischen Gouverneur abgesetzt hat. Dieser weigert sich jedoch, seinen Posten aufzugeben. Es gehen nun Gerüchte um, dass sich die verschiedenen Volksgruppen bewaffnen. Ein schiitischer Milizführer warnte bereits vor einem "Bürgerkrieg", auch viele Kurden fürchten eine Eskalation der schwelenden Spannungen.

Zwar gibt es kaum Kurden, die die Unabhängigkeit der Region nicht unterstützen würden, doch halten viele Barsanis Vorgehen für falsch. Seine internen Gegner beschuldigen den Kurdenpräsidenten, dessen Amtszeit eigentlich seit zwei Jahren abgelaufen ist, mit dem Referendum vor allem seine eigene Stellung sichern zu wollen. Viele fordern auch, erst die Zustimmung der Nachbarn einzuholen, bevor das Referendum abgehalten wird. (AFP)

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