Kurdische Inhaftierte folgen Ruf Öcalans zu Beendigung von Hungerstreik

Nach einem Appell des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan haben tausende kurdische Häftlinge in der Türkei ihren Hungerstreik eingestellt. Die aus Protest gegen Öcalans Haftbedingungen begonnene Aktion werde beendet, erklärte jüngst ein Sprecher der Hungerstreikenden laut der kurdischen Nachrichtenagentur ANF. Der Mitbegründer der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hatte zuvor erklärt, das Ziel des Hungerstreiks sei erreicht, nachdem die Regierung seinen Anwälten wieder Besuche im Gefängnis gestattet hatte.

Die Abgeordnete Leyla Güven von der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) war Anfang November aus Protest gegen die Isolation Öcalans in einen Hungerstreik getreten. Laut ihrer Partei schlossen sich seitdem mehr als 3.000 Gefangene ihrer Protestaktion an. Acht Menschen hätten sich zudem aus Protest das Leben genommen, darunter ein Mann in Krefeld, der sich selbst angezündet hatte.

"Ich erwarte, dass die Aktion beendet wird", forderte nun Öcalan laut einer Erklärung, die am letzten Sonntag von seiner Anwältin Nevroz Uysal bei einer Pressekonferenz in Istanbul verlesen wurde. Ein Sprecher der Hungerstreikenden erklärte daraufhin, die Häftlinge folgten Öcalans Appell. Auch Güven erklärte, sie beende ihren Hungerstreik, werde aber ihren "Kampf gegen Isolation und für sozialen Frieden" fortsetzen.

Der Hungerstreik war in der HDP nicht unumstritten, da er von Kritikern als Beleg für die Nähe der Partei zur PKK gewertet wurde, die in der Türkei als Terrororganisation verboten ist. Unter dem Druck der Proteste erlaubte die türkische Regierung Mitte Januar aber Öcalans Bruder Mehmet einen Besuch auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmara-Meer. Am 2. Mai durften erstmals seit acht Jahren zwei Anwälte zu dem langjährigen PKK-Führer.

Nach einem erneuten Besuch am Mittwoch sagten seinen Anwälte am letzten Sonntag, Öcalan wolle eine "positive Rolle spielen" bei der Lösung der Probleme in Syrien, "einschließlich der kurdischen Frage".

Große Teile Nordsyriens werden von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) kontrolliert. Wegen ihrer engen Verbindungen zur PKK sieht die Türkei ihre Präsenz als Bedrohung und ist bereits wiederholt gegen sie vorgegangen. Derzeit laufen Verhandlungen mit den USA, die die syrische Kurdenpartei im Kampf gegen die Dschihadisten unterstützt, über eine Pufferzone an der Grenze.

Öcalan verbüßt seit 20 Jahren in fast völliger Isolation eine lebenslange Freiheitsstrafe auf Imrali. Im Kampf seiner Guerillagruppe gegen den türkischen Staat wurden seit 1984 mehr als 40.000 Menschen getötet. Geheime Gespräche des türkischen Geheimdiensts mit Öcalan auf Imrali führten zwar im Frühjahr 2013 zu einer Waffenruhe, doch brach der Friedensprozess im Sommer 2015 wieder zusammen.

Die Zugeständnisse an Öcalan fallen in eine Zeit, da die regierende AKP vor der Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul am 23. Juni um Stimmen wirbt. Bei der ersten Wahl Ende März hatte die HDP keinen Kandidaten aufgestellt und den Oppositionskandidaten Ekrem Imamoglu unterstützt. Dies trug nach Einschätzung von Experten wesentlich dazu bei, Imamoglu eine Mehrheit zu sichern.

Nach den Besuchen der Anwälte bei Öcalan wurde in der Türkei über einen neuen Friedensprozess spekuliert. Justizminister Abdülhamit Gül betonte am Freitag aber, die Besuche hätten "nichts zu tun mit einem Friedensprozess" und "keine Verbindung zu den Istanbuler Wahlen". Auch Öcalans Anwälte sagten, die Besuche seien kein Zeichen "für die Existenz eines Verhandlungsprozesses". (AFP)