Kündigung des Atom-"Deals" durch die USA: Rückschlag für Irans Reformer, Rückenwind für die Hardliner

Für den iranischen Präsidenten Hassan Rohani ist der Rückzug der USA aus dem internationalen Atomabkommen ein schwerer Rückschlag. Die Atomvereinbarung von 2015 war der bisher größte Erfolg des moderaten Politikers, und seine ganze Politik basierte darauf, dass die Aufhebung der Sanktionen der Wirtschaft neuen Schwung geben würde. Die Wiedereinsetzung der US-Sanktionen droht nun den Iran hart zu treffen und gibt zugleich Rohanis konservativen Gegnern Auftrieb.

"Rohani hat hoch gepokert mit dem Atomabkommen und all sein politisches Kapital da rein investiert", sagt der Teheraner Politikexperte Modschtaba Musawi. "Nun, da das Abkommen in seinen letzten Zügen liegt, verliert Rohani alles - all seine wirtschaftlichen und politischen Pläne, die er auf der Grundlage des Atomabkommens gebaut hat."

Während Rohani durch Trumps Entscheidung geschwächt wird, triumphieren seine konservativen Gegner. Sie haben schon immer gewarnt, dass den USA nicht zu trauen sei. Schon als Trump nach seinem Amtsantritt im Januar 2017 drohte, das von seinem Vorgänger Barack Obama ausgehandelte Abkommen zu zerreißen, fühlten sie sich in ihrem Misstrauen bestätigt.

In seiner ersten Reaktion auf den US-Rückzug aus dem Atomdeal kündigte Rohani an, das Gespräch mit den fünf anderen Vertragspartnern zu suchen, um zu versuchen, das Abkommen noch zu retten. Dabei wird eine zentrale Frage sein, ob Europäer dem Iran garantieren können, dass der Handel mit Europa trotz der US-Sanktionen aufrecht erhalten wird.

"Die Europäer werden sich überlegen müssen, ob sie akzeptieren, dass US-Sanktionen exterritorial gelten", sagt der Wiener Iran-Experte Walter Posch. "Um den Deal zu retten, müssten die Europäer Contra geben und verhindern, dass europäische Firmen sanktioniert werden. Ob sie das aber durchziehen können und wollen, ist die Frage."

Trumps ständige Drohungen, den Atom-"Deal" aufzukündigen, hielten schon zuvor viele europäische Firmen davon ab, im Iran zu investieren. Selbst nach der Aufhebung der im Atomstreit verhängten Finanz- und Handelsbeschränkungen blieben noch zahlreiche US-Sanktionen bestehen, die wegen anderer Fragen wie der Menschenrechtslage im Iran verhängt worden waren.

"Die Ungewissheit um das Atomabkommen ist ein Sieg für die Konservativen, die sich der Feindschaft gegenüber der US-Außenpolitik bedienen, um die internen Repressionen zu verstärken und den Einfluss der gewählten Institutionen zu begrenzen", urteilt der Iran-Experte Clement Therme vom International Institute for Strategic Studies in London.

Schon in den vergangenen Monaten verstärkten die Konservativen in Justiz und Sicherheitsapparat den Druck im Iran. So wurde vergangene Woche trotz des Widerstands von Rohani der beliebte Messengerdienst Telegram verboten. Auch wurden mehrere Doppelstaatler festgenommen und Teherans reformorientierter Bürgermeister zum Rücktritt gezwungen.

Rohani kann sich zwar bei seiner Reformpolitik auf eine Mehrheit der Wähler stützen, doch hat er keine Kontrolle über die Justiz, die religiösen Stiftungen oder die mächtigen Revolutionsgarden, die großen Einfluss in der Wirtschaft und auf die Außenpolitik haben. Denn sie unterstehen nicht dem Präsidenten, sondern dem geistlichen Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei.

Für die Stabilität der Region könnte Trumps Entscheidung schwerwiegende Folgen haben. Posch warnt, dass die Entscheidung eben jene Kreise im Iran stärke, die für Teherans harten außenpolitischen Kurs verantwortlich sind. Statt zur Eindämmung des Iran könnte Trumps Entscheidung somit zu einer weiteren Eskalation im Nahen Osten führen.

Wenn die Europäer nun nicht entschieden für den Erhalt des Atomabkommens eintreten, werde Khamenei "den Hardlinern mehr Freiraum geben, um das Vorgehen gegen Saudi-Arabien zu verschärfen", warnt Posch. "Wenn die Iraner den Eindruck haben, dass sie sowieso isoliert werden, egal wie sie sich verhalten, dann werden sie in der Region eskalieren." (AFP)