«Kritisieren kann man immer»: Fagr Eladly - die ägyptische Medizinerin mit Mut

Sie studiert Medizin, ist nebenher als Journalistin aktiv und setzt sich für Menschenrechte in Ägypten ein: Fagr Eladly. Eine Aktion im Kanzleramt machte sie von einer Minute zur anderen bekannt. Von Oliver von Riegen und Fredrik von Erichsen

Fagr Eladly ist die Frau, die Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi im Kanzleramt als «Mörder» bezeichnet hat. Doch die Aktion vom Juni ist nur eine Facette aus dem Leben der 22 Jahre alten ägyptischen Medizinstudentin.

Sie wurde 1993 in Mainz geboren, ihre Eltern kommen aus Ägypten. In Mainz besuchte sie Grundschule und Gymnasium. Die neunte und zehnte Klasse nahm sie auf einmal, übersprang also ein Jahr, und besuchte schon während ihrer Schulzeit die Uni: Sie machte ein Frühstudium der Medizin. «Ich sehe mich nicht als Wunderkind», sagt sie. «Ich war immer sehr fleißig.»

Inzwischen studiert Fagr Eladly Medizin an der Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg. «Die Krebsforschung war immer schon mein Interessengebiet», sagt sie begeistert. Die Medizinstudentin hat aber auch Spaß am Journalismus und an Politik: «Ich habe schon mit 14 angefangen, Artikel zu analysieren. Im Journalismus bieten sich viele Möglichkeiten.» Zwischen ihrem Abitur und dem Medizinstudium machte sie vor zwei Jahren ein Praktikum bei dem Sender Radio Rheinwelle in Wiesbaden. Ihr Berufswunsch steht fest: «Ich will aber schon Ärztin werden.» Konkrete Pläne hat sie im Moment noch nicht. Derzeit lernt sie nebenher Türkisch. «Ich wollte unbedingt fünf Sprachen sprechen.» Und sie engagiert sich ehrenamtlich: In Ägypten verteilte sie schon Essen und Medizin.

Bei den Jusos, der SPD-Jugendorganisation, macht sie mit - früher in Mainz, jetzt in Mannheim. Als 2013 der erste freigewählte Präsident Ägyptens, der Islamist Mohammed Mursi, vom Militär unter Abdel Fattah al-Sisi gestürzt wurde, war das für Fagr Eladly ein Einschnitt. Seitdem ist sie in der «Deutsch-Ägyptischen Union für Demokratie» (DÄUD) aktiv. «Wir organisieren Demonstrationen oder Ausstellungen, um auf die gravierende Menschenrechtslage aufmerksam zu machen», sagt sie.

Seit sie elf ist, trägt Fagr Eladly Kopftuch. Zunächst musste sie mit Vorurteilen kämpfen, doch dann erwarb sie sich Respekt. So schrieb sie es schon vor zwei Jahren in einem Erfahrungsbericht. Wie fühlt sie sich heute: als Deutsche oder Ägypterin? «Ich sehe mich auch als Teil der deutschen Gesellschaft und finde es wichtig, dass man sich engagiert», sagt sie. «Auf der anderen Seite bin ich ägyptischer Herkunft.» Ein Teil ihrer Familie ist in Ägypten.

Fast 20.000 Ägypter lebten Anfang dieses Jahres in Deutschland, in Rheinland-Pfalz sind es rund 1150. Zahlreiche Vereine schlagen Brücken zwischen beiden Ländern. «Es gibt eine lange Tradition zwischen Deutschland und Ägypten», sagt der Vizevorsitzende des «Ägyptischen Hauses Deutschland» in Hannover, Sarwat Ramadan. Der Dachverband vereinigt die deutsch-ägyptischen Vereine in Deutschland.

Als al-Sisi in Berlin war, besuchte Fagr Eladly für Radio Rheinwelle dessen Pressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie wollte eine Frage stellen, kam aber nicht mehr dran, die Pressekonferenz war schon zu Ende. «Ich wollte Frau Merkel fragen, warum sie nicht mehr eine Parlamentswahl als Bedingung für den Besuch von al-Sisi aufrechterhalten hat und warum sie die Stabilität unterstützt, obwohl die Menschenrechte total missachtet werden», sagt sie im Rückblick.

Also rief sie laut, al-Sisi sei ein «Mörder». Der Sicherheitsdienst führte sie aus dem Raum. «Ich war einfach enttäuscht, dass die Fragen nicht gestellt wurden», sagt Fagr Eladly. «Letztendlich habe ich etwas gesagt, was viele denken und wofür viele eintreten.» Ihr sei es darum gegangen, al-Sisi nicht salonfähig zu machen. Ihr Auftritt stieß nach Angaben des «Ägyptischen Hauses Deutschland» auf positives wie negatives Echo bei Ägyptern in Deutschland: «Über die ganze Aktion gab es zwei verschiedene Meinungen», sagt Sarwat Ramadan.

Schon vor der Aktion schrieben Fagr Eladly und die DÄUD mehrere E-Mails an Politiker, zuletzt im Mai an Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Dessen Team reagierte vor einigen Wochen auf der Seite «Abgeordnetenwatch». Doch das ist ihr nicht genug. «Mir bringt das nichts, dass der Umgang mit den Menschenrechten kritisiert wird», sagt Fagr Eladly. «Kritisieren kann man immer.» Sie will sich in Deutschland weiter für Menschenrechte in Ägypten einsetzen. (dpa)