Kölner Moscheen beantragen Muezzinruf

Drei Viertel der deutschen Bevölkerung sind laut einer Umfrage gegen eine generelle Erlaubnis des Muezzinrufs. In Köln wird er bald jeden Freitag erschallen. Für Islamvertreter ein Zeichen der Beheimatung von Muslimen.



Köln. In Kölns größter Moschee ist es bald soweit: "Unser Antrag auf Genehmigung des Muezzinrufs ist so gut wie fertig. Noch in dieser Woche wollen wir ihn bei der Stadt einreichen", bestätigte Zekeriya Altug, Abteilungsleiter für Gesellschaft und Zusammenarbeit beim türkisch-islamischen Verband Ditib, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Donnerstag. "Wir erfüllen alle Auflagen und hoffen, dass wir die Gläubigen schon in einigen Wochen mit dem Gebetsruf per Lautsprecher zum Freitagsgebet einladen können."



Die Ditib-Zentralmoschee im Stadtteil Ehrenfeld mit ihren 55 Meter hohen Minaretten ist die bekannteste in Deutschland, ein Symbol für die wachsende Präsenz des traditionellen Islam. Und die macht vielen Angst. Das zeigte erneut die scharfe Debatte nach dem Vorstoß der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), die den Muezzinruf Anfang Oktober zugelassen hatte. Künftig dürfen die rund 35 Moscheegemeinden der Domstadt freitags zwischen 12 und 15 Uhr für maximal fünf Minuten den Gebetsruf (arabisch "adhan") erschallen lassen. Die Lautstärke darf dabei 85 Dezibel nicht überschreiten. Außerdem müssen die Gemeinden einen Ansprechpartner für die Anwohner benennen, die vorher informiert werden sollen.



Reker will ihre zunächst auf zwei Jahre befristete Initiative als Zeichen für Vielfalt und Toleranz verstanden wissen. Bisher hat nach Angaben der Stadt erst eine Gemeinde einen Antrag eingereicht, es gebe aber schon zehn "Interessenbekundungen". Darunter sind auch zwei Moscheen der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), wie Metin Aydin, Leiter der Verbandskommunikation des IGMG-Regionalverbands, gegenüber KNA mitteilte. Er sei Frau Reker sehr dankbar. "Wichtiger als der Muezzinruf in unseren acht Kölner Moscheen ist uns aber der Konsens mit den Kölnerinnen und Kölnern. Deshalb werden wir bei den Anträgen behutsam vorgehen", so Aydin.



Zwar sei der Gebetsruf vom Recht auf Religionsfreiheit gedeckt, die Kritiker könne er aber teilweise verstehen, so Aydin. "Religion ist heute für viele in einer säkularen Gesellschaft etwas Fremdes." Einen Unterschied zwischen dem auf Arabisch vorgetragenen adhan und dem Geläut von Kirchenglocken sieht er nicht.



Gegner des Kölner Projekts, darunter viele liberale Muslime, sehen das anders. Anders als Kirchenglocken verkünde der Muezzin mit der Zeile "Allahu Akbar" - Gott ist am größten - und dem islamischen Glaubensbekenntnis einen religiösen Überlegenheitsanspruch. Der Ruf erscheint Kritikern als Signal eines streng konservativen und frauenfeindlichen Islam - Frauen sind beim Freitagsgebet nicht unbedingt vorgesehen oder nur in separierten Bereichen. Ausgerechnet politischen Islamisten und Feinden der offenen Gesellschaft biete Köln im Namen der Toleranz ein Einfallstor, das bundesweit Schule machen könnte.



Auch Ditib und IGMG standen öfter in dem Ruf, im Sinne des politischen Islam demokratiefeindliche Parallelgesellschaften zu fördern. Die Ditib erhält ihre Weisungen von der türkischen Religionsbehörde und gilt oft als verlässlicher Arm des Erdogan-Regimes unter den Türken in Deutschland. Bisher entkräftet der Verband die Vorwürfe aus Sicht von Beobachtern eher halbherzig.



Wenn aber der Islam zu Deutschland gehört, wie immer wieder beschworen, dann trage der traditionelle Muezzinruf nur dazu bei, dass sich fromme Muslime hier zuhause fühlen, heißt es von Islamvertretern. Einen Ruf in deutscher Übersetzung hält Aydin für abwegig. "Der adhan auf Arabisch ist nur ein Symbol für die weltweite Gemeinschaft der Gläubigen, keine Ansage an die deutsche Gesellschaft." Für die Integration sei es etwa wichtiger, dass die Freitagspredigt auf Deutsch gehalten wird. "Da sind die Gemeinden auf einem guten Weg."



Wie viele Kölner Moscheen an Freitagen tatsächlich das Mikro anschalten, dürfte sich bald zeigen. Den fünf übrigen Ditib-Moscheen in der Stadt überlasse man die Entscheidung selbst, sagt Verbandsmitglied Altug. Ob weitere Großstädte dem Modell folgen werden, ist derweil nicht abzusehen. Anfang der Woche erlaubte das kleine Raunheim südlich von Frankfurt als zweite Stadt in Deutschland den Ruf am Freitag. Im Ramadan auch täglich. (KNA)