Kinofilm "The Cave": Von der Kriegsklinik in Syrien auf den roten Teppich in Hollywood

Sie hat tausende Verletzte in einem Untergrund-Krankenhaus in Syrien behandelt - 102 Minuten lang zeigt nun der Dokumentarfilm "Eine Klinik im Untergrund - The Cave" das Leben der jungen Kinderärztin Amani Ballour, ihrer Kollegen und Patienten in Zeiten des Krieges. Die deutsch-dänische Koproduktion ist für den Oscar in der Kategorie "Bester Dokumentarfilm" nominiert. Ballour hofft, dass die Preisverleihung den bald seit neun Jahren andauernden Bürgerkrieg wieder zurück auf die Weltbühne holt.

"Für mich ist das kein Film. Das ist mein Leben, meine Wirklichkeit", sagte die 32-jährige Ärztin in Paris - auf dem Weg nach Hollywood. Seit bald zwei Jahren lebt Amani Ballour in der Türkei, doch bis heute kann die ehemalige Leiterin der unterirdischen Klinik von Ost-Ghuta, der einstigen Rebellenhochburg bei Damaskus, das Leiden ihrer kleinen Patienten nicht vergessen.

Ost-Ghuta war im April 2018 in einer blutigen Offensive von den syrischen Regierungstruppen zurückerobert worden. Bei der Belagerung und der Offensive in dem Frühjahr wurden mehr als 1.700 Zivilisten getötet. Damals saßen 400.000 Menschen in Ost-Ghuta fest, UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einer "Hölle auf Erden". Letzte Bastion der Hoffnung war für die Eingeschlossenen damals die Klinik im Untergrund, genannt "The Cave".

Die Kamera begleitet in dieser Zeit Amani Ballour durch die langen Gänge der "Höhle". Sie zeigt, wie die junge Kinderärztin Blut von Kindergesichtern abwischt, wie sie weint, operiert - aber auch, wie sie sich entschlossen gegen die Männer in einer patriarchalischen Gesellschaft zur Wehr setzt, die eine Frau in Führungsposition nicht akzeptieren können.

"Am Anfang musste ich mir Bemerkungen wie 'Du wirst das nicht schaffen' anhören - ich musste zeigen, dass auch Frauen führen können", erzählt die 32-Jährige, die hinter ihrer Schüchternheit einen eisernen Willen verbirgt.

Amani Ballour trieben die Schicksale ihrer kleinen Patienten an. Bis heute lassen ihre Geschichten sie nicht los. "Die Kinder verstanden nichts (...) sie fragten immer, was los ist, warum man uns bombardiert, warum sie hungrig sind. Ihnen das zu erklären, war sehr schwierig."

Deutlich erinnert sich 'Dr. Amani' an den elfjährigen Abdel Rahman, dessen Schule mitten im Unterricht von Bomben getroffen wurde. "Er verlor beide Beine. Als er aus der Narkose erwachte, fragte er 'wo sind meine Beine', 'warum habt ihr sie amputiert'". "Während ich sie behandelte, konnte ich diesen Kindern nicht in die Augen schauen", erzählt Ballour. "Niemand von uns konnte das."

Schmerzhaft sind auch ihre Erinnerungen an den Giftgas-Angriff im August 2013, für den die Führung in Damaskus verantwortlich gemacht wird. Mindestens 1.429 Menschen starben US-Angaben zufolge, unter ihnen 426 Kinder. "In 'Der Höhle' reichte nicht einmal der Platz auf dem Fußboden für all die Leichen. Wir mussten sie übereinander stapeln", sagt die Ärztin.

Immer wieder aber gab es bei allem Leid auch Momente der Leichtigkeit, wie der Dokumentarfilm des syrischen Filmemachers Feras Fayyad zeigt - wie etwa die heimliche Geburtstagsfeier, bei der Gummihandschuhe als Luftballons dienten. "Das half, uns wieder als Menschen zu fühlen", sagt Ballour.

Für ihren Einsatz in dem unterirdischen Krankenhaus erhielt die Kinderärztin vor kurzem den Raoul-Wallenberg-Preis des Europarats. Er wird alle zwei Jahre für "außergewöhnliche humanitäre Leistungen" vergeben. Der Preis und die Oscar-Nominierung für "The Cave", an dem auch der SWR beteiligt war, werde "mehr Licht auf unser Anliegen werfen und die Menschen dazu bringen, uns zu unterstützen", hofft die junge Ärztin.

Wie viele der Millionen geflüchteten oder vertriebenen Syrer kann sie sich mit ihrem Exil nicht abfinden: "Wenn wir den Menschen halfen, war ich gelassener, trotz der ganzen Schwierigkeiten, der Bombenangriffe, des Hungers und der täglichen Tragödien." (AFP)