Kein Deutsch, keine Einschulung? Debatte über Linnemanns Grundschul-Vorstoß

Mit seinen Äußerungen zur späteren Einschulung von Kindern mit schlechten Deutschkenntnissen hat Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) eine breite Debatte ausgelöst.

Aus der eigenen Partei, aber auch von Opposition und Bildungsverbänden wurde am Dienstag viel Kritik laut an Linnemanns Forderung, notfalls Kinder später einzuschulen. Der Vorstoß sei "populistisch", hieß es. Der Deutsche Lehrerverband plädierte für ein "verpflichtendes Kita-Jahr" für Kinder mit Sprachdefiziten.

Linnemann hatte der Düsseldorfer "Rheinischen Post" von Dienstag gesagt: "Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen." In solchen Fällen müsse es eine Vorschulpflicht geben, notfalls müsse die Einschulung zurückgestellt werden.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wies Linnemanns Vorstoß scharf zurück. Eine spätere Einschulung komme einem Ausschluss der betroffenen Kinder gleich, kritisierte GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann. Damit "leisten wir der Integration einen Bärendienst". Kinder lernten von Kindern und "gerade kleine Kinder lernen im Spiel, nicht im klassischen Deutschkurs". Linnemanns Forderung sei "reiner Populismus und pädagogisch nicht sinnvoll", sagte Hoffmann AFP. Zugleich kritisierte sie den Fachkräftemangel in Grundschulen und Kitas.

Der Grundschulverband übte ebenfalls Kritik an Linnemann. "Kinder müssen eingeschult werden, wenn sie das Schulpflichtalter erreichen", sagte die Bundesvorsitzende Maresi Lassek im Radioprogramm SWR Aktuell. Schulen seien auf Kinder mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen eingestellt.

Unterstützung erhielt der CDU-Politiker von der Vorsitzenden des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing. Sie sprach sich in der "Welt" für eine Einschulung förderbedürftiger Kinder in Vorklassen aus, "sozusagen eine 0. Klasse, um Deutsch zu lernen".

Der Präsident des Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, warb für ein "verpflichtendes Kita-Jahr" für Kinder mit Sprachdefiziten. Dafür seien speziell ausgebildete Kräfte nötig, die Deutsch als Zweitsprache lehren könnten, sagte er der "Welt".

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Drastische Kritik erhielt Linnemann aus der eigenen Partei: Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) kritisierte seine Forderung als "populistischen Unfug". Es sei der "völlig falsche Weg", Kinder mit schlechten Sprachkenntnissen später einzuschulen, sagte Prien der "Süddeutschen Zeitung". Vielmehr müssten sie in Regelklassen unterrichtet werden, die Deutsch als Zweitsprache anbieten.

Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), widersprach Linnemann. "An der Schulpflicht gibt es nichts zu rütteln", sagte sie der "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe). Nötig sei eine "gezielte Sprachförderung von Anfang an". Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sieht zwar "Handlungsbedarf" bei der sprachlichen Förderung. Ausgrenzung sei aber "der falsche Weg".

SPD-Übergangschef Thorsten Schäfer-Gümbel sagte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Mittwochausgabe), er habe nichts gegen "gute Vorschule, in der auch Deutschkenntnisse vermittelt werden". "Der Unterton von Linnemann aber ist unanständig und zielt nicht auf Zusammenhalt, sondern auf Ausgrenzung."

Die Grünen-Migrationspolitikerin Filiz Polat kritisierte eine "populistische Scheindebatte" und forderte, die Bundesregierung solle "endlich ihre Hausaufgaben" im Integrations- und Bildungsbereich machen. Nötig sei eine flächendeckende integrierte Sprachförderung.

Linken-Parteichef Bernd Riexinger sagte AFP, wenn es Linnemann "um das Niveau an den öffentlichen Grundschulen ginge, hätte er längst eine Initiative für kleinere Klassen und mehr Lehrkräfte anstoßen können". "In Wirklichkeit" wolle Linnemann "nur auf der rechten Empörungswelle mitsurfen". (AFP)