Jura-Professor und Medienmogul nach eigenen Angaben in Tunesien in der Stichwahl

Bei der Präsidentschaftswahl in Tunesien sind der unabhängige Jura-Professor Kais Saied und der im Gefängnis sitzende Medienmogul Nabil Karoui nach eigenen Angaben in die Stichwahl eingezogen. Beide Lager stützten sich auf zwei am Sonntagabend nach Schließung der Wahllokale veröffentlichte gleichlautende Prognosen, wonach Saied vier Prozentpunkte vor Karoui lag. Die Wahlbeteiligung lag nach Behördenangaben bei 45 Prozent und damit deutlich niedriger als 2014.

Er sei "der Erste im ersten Durchgang", erklärte Saied, der als unabhängiger Kandidat angetreten war. Der 61-Jährige hatte sich im Wahlkampf bewusst von allen Parteien distanziert und setzte auf einen Tür-zu-Tür-Wahlkampf.

Ein Vertreter von Karouis Partei erklärte wiederum: "Nabil Karoui ist in der zweiten Runde." Der Medienmogul galt im Vorfeld als einer der Favoriten. Er sitzt in Haft, durfte aber trotzdem als Kandidat antreten. Gegen den 56-Jährigen, der nur wenige Tage vor Wahlkampfbeginn verhaftet worden war, wird wegen des Verdachts der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung ermittelt.

Karouis Inhaftierung hatte Umfragen zufolge seine Beliebtheitswerte steigen lassen. Der Medienmogul hatte sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als Wohltäter aufgebaut, indem er vor den Kameras seines Senders Nessma TV Elektrogeräte oder Nahrungsmittel an Arme verteilte. Seine Gegner sehen in ihm eine Art tunesischen Silvio Berlusconi, dem früheren Ministerpräsidenten und Medienunternehmer in Italien.

Der Urnengang ist die zweite freie Präsidentschaftswahl seit der friedlichen Revolution im Frühjahr 2011. Gesucht wird ein Nachfolger des verstorbenen Staatschefs Béji Caïd Essebsi. Bei der ersten Wahl 2014 waren im ersten Durchgang 64 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen gegangen, diesmal lag die am Abend von der Wahlbehörde verkündete Beteiligung mit 45 Prozent also deutlich niedriger.

Weitere prominente Kandidaten der ersten Runde waren der kommissarische Parlamentspräsident Abdelfattah Mourou von der moderat islamistischen Partei Ennahda und Regierungschef Youssef Chahed. Samir Dilou, Wahlkampfleiter von Ennahda, erklärte, seine Partei werde das offizielle Wahlergebnis abwarten. Er zweifle nicht an der Arbeit der Umfrageinstitute, aber "es ist nicht ihre Aufgabe, der Öffentlichkeit eine bestimmte Wahrheit aufzuzwingen", sagte er Journalisten. Das vorläufige Wahlergebnis soll am Dienstag bekannt gegeben werden.

Die Popularität von Regierungschef Chahed hatte angesichts der schwächelnden Wirtschaft und steigenden Lebenshaltungskosten im Land gelitten. Dem Regierungschef wurde zudem vorgeworfen, Karouis Verhaftung Ende August sei politisch motiviert gewesen.

Die ursprünglich für November angesetzte Präsidentschaftswahl war nach dem Tod des 92-jährigen Präsidenten Essebsi Ende Juli auf den 15. September vorgezogen worden. Essebsi war 2011 nach dem Sturz des damaligen Diktators Zine El Abidine Ben Ali gewählt worden. Insgesamt standen 26 Bewerber auf den Kandidatenlisten, zwei Kandidaten zogen sich allerdings in letzter Minute am Freitag zugunsten von Verteidigungsminister Abdelkarim Zbidi aus dem Rennen zurück.

Am Wahltag waren 70.000 Sicherheitskräfte im Einsatz. In Tunesien hatte es 2015 und 2016 mehrere islamistische Anschläge gegeben, seitdem hat sich die Situation deutlich verbessert. Im Land gilt aber immer noch der Ausnahmezustand.

Tunesien nimmt für sich in Anspruch, als einziges Land des Arabischen Frühlings eine funktionierende Demokratie zu sein. Überschattet werden die demokratischen Errungenschaften jedoch von schweren wirtschaftlichen und sozialen Problemen und der allgegenwärtigen Vetternwirtschaft. Die Arbeitslosenrate liegt bei 15 Prozent, die Lebenshaltungskosten stiegen um mehr als 30 Prozent seit 2016.

Das Datum der Stichwahl steht noch nicht fest. Sie muss aber vor dem 23. Oktober stattfinden und könnte möglicherweise sogar mit der Parlamentswahl am 6. Oktober zusammengelegt werden. (AFP)