Jugend unter Assad: Rafik Schamis «Sami und der Wunsch nach Freiheit»

An Bahnhöfen hat Rafik Schami die Geschichten von Dutzenden jungen syrischen Flüchtlingen aufgeschrieben. Nun fügt er sie mit seiner Erzählkunst zu einem großen Ganzen zusammen. «Sami und der Wunsch nach Freiheit» ist ein Jugendbuch - aber nicht nur etwas für Jugendliche. Von Doreen Fiedler

Wer Rafik Schami liest, fühlt den historischen Boden in den Gassen von Damaskus, schmeckt die gefüllten Fladenbrote der fürsorglichen Mütter und hört die Melodien auf der Laute. Auch in seinem neuen Roman «Sami und der Wunsch nach Freiheit» nimmt der Autor, der in Syrien aufwuchs und 1971 nach Deutschland kam, den Leser mit auf eine abenteuerliche Reise gen Osten.

Doch es liegt ein dunkler Schatten über der Geschichte, der zusehends bedrohlicher wird: Das Regime mit seinen brutalen Geheimdiensten kommt Seite für Seite näher an die Protagonisten des Romans heran.

Im Zentrum der Geschichte stehen der Ich-Erzähler Scharif und sein bester Freund Sami - im Arabischen sind diese Worte Synonyme. Die beiden Jungs sind, so heißt es im Roman, «die einzigen Zwillinge der Welt, die zur gleichen Stunde, aber von zwei verschiedenen Müttern zur Welt gebracht worden waren». Zwischen Torheiten aus kindlichem Übermut, Baden im Hammam und ersten Verliebtheiten wird die Allgegenwart des unbarmherzigen Staatsapparates schnell klar. Etwa als die Kinder in der Schule jeden Morgen «Unser Präsident herrscht ewig» schreien müssen.

Syriens Präsident Baschar al-Assad nennt Schami im ganzen Roman kein einziges Mal - wohl eine Beleidigung durch Nichtnennung. Aber die willkürlichen Festnahmen, die ständige Gewalt durch Staatsdiener und die Durchdringung der Gesellschaft mit Spitzeln beschreibt er im Detail. Die Unterdrückung kleidet ein Lehrer von Sami in diese Worte: «Wir träumten alle davon, Schmetterlinge zu werden, doch man will uns nur als Raupen leben lassen.»

Vertrieben wird «Sami und der Wunsch nach Freiheit» als Jugendbuch, aber Rafik Schamis Kunst des Geschichtenerzählens zieht die Erwachsenen genauso in seinen Bann. Bei einer Erzählung der Geschichte in Wiesbaden bestand das Publikum nach Schamis Worten aus «Jugendlichen, älteren und sehr alten Menschen». Und sie alle hingen an seinen Lippen, so dass er, wenn er an einer spannenden Stelle scherzhaft fragte, «soll ich weitererzählen?», immer gebanntes Nicken erntete.

Der Autor taucht in «Sami und der Wunsch nach Freiheit» auch als er selbst auf, der vermeintlich einen jungen Flüchtling kennenlernt, welcher ihm die Geschichte erzählt. Tatsächlich hat Schami die Erlebnisse der beiden Protagonisten aus rund 50 Erzählungen zusammengeworben, die ihm junge Syrer nach ihrer Flucht in der Schweiz, in Österreich und Deutschland erzählt haben.

«Ich habe viele Hefte vollgeschrieben, sobald ich die Jugendlichen verließ und in den Zug einstieg», sagt Schami. Außerdem habe er dazu zahlreiche Bücher, Zeitschriften und Interneteinträge über die Verhältnisse gelesen.

Obwohl es in «Sami» um den Aufstand des syrischen Volkes im Jahr 2011 geht, obwohl darin die großen Themen Freiheit, Liebe, Mut und Güte abgehandelt werden: Der 71 Jahre alte Autor richtet den Roman gezielt an jugendliche Leser. «Weil ich große Hoffnung habe, dass Jugendliche im deutschsprachigen Raum den anderen benachteiligten Jugendlichen in der Dritten Welt - hier am Beispiel Syrien - auf einer spannenden Art näherkommen», sagt Schami, und fügt hinzu. «Ohne Moralpredigten.» (dpa)