Israel und Türkei nehmen wieder vollständige diplomatische Beziehungen auf

Jerusalem. Israel und die Türkei nehmen nach jahrelanger Eiszeit ihre diplomatischen Beziehungen wieder voll auf. Es seien "vollständige diplomatische Beziehungen und die Rückkehr der Botschafter und Generalkonsule in beide Länder" beschlossen worden, teilte der israelische Ministerpräsident Jair Lapid am Mittwoch mit. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sprach von einem wichtigen Schritt "zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen". Dies bedeute jedoch nicht, dass Ankara "die Sache der Palästinenser" aufgebe, betonte er.



Beide Seiten hatten im März bei einem Türkei-Besuch des israelischen Präsidenten Isaac Herzog die Wiederbelebung ihrer bilateralen Beziehungen beschlossen. Das Verhältnis zwischen der Türkei und Israel war seit 2010 äußerst angespannt.



Damals hatten israelische Einsatzkräfte ein türkisches Schiff einer Hilfsflotte für den Gazastreifen gestürmt und zehn Aktivisten getötet. 2018 zog die Türkei ihren Botschafter in Israel ab und verwies den israelischen Botschafter des Landes, nachdem dutzende palästinensische Demonstranten im Gazastreifen von israelischen Einsatzkräften erschossen worden waren.



Der islamisch-konservative türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist im Nahost-Konflikt ein wichtiger Fürsprecher der Palästinenser. Er unterhält auch Beziehungen zu der von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Palästinenserorganisation Hamas, die seit 2007 den Gazastreifen kontrolliert.



Die Wiederherstellung der Beziehungen zur Türkei sei wichtig für die regionale Stabilität und eine "sehr wichtige wirtschaftliche Nachricht für die Bürger Israels", erklärte Lapid. Auch Präsident Herzog hob die Bedeutung für "stärkere wirtschaftliche Beziehungen, den gegenseitigen Tourismus und die Freundschaft" zwischen den beiden Nationen hervor.



Am Abend telefonierte Lapid mit dem islamisch-konservativen Präsidenten Erdogan, wie Lapids Büro mitteilte. Beide waren sich demnach einig, dass die jüngsten Entwicklungen zur Umsetzung zahlreicher Vorhaben vor allem im wirtschaftlichen und touristischen Bereich führen werden. Nach Angaben von Lapid sollen demnächst die Direktflüge zwischen Israel und der Türkei wieder aufgenommen werden.



Trotz aller diplomatischen Differenzen war der Handel zwischen beiden Ländern in den vergangenen Jahren weitergegangen. Viele Israelis machen zudem Urlaub in der Türkei, die derzeit in einer tiefen Wirtschaftskrise mit einer extrem hohen Inflation steckt. Im Januar hatte Ankara auch seine Bereitschaft erklärt, mit Israel beim Projekt einer Gaspipeline im östlichen Mittelmeer zusammenzuarbeiten.



Cavusoglu war Ende Mai im Bemühen um eine Wiederannäherung beider Länder nach Israel gereist. Er betonte nun, dass Ankara weiter die "die Rechte der Palästinenser, von Jerusalem und Gaza verteidigen" werde. Ein Botschafter, der demnächst für Tel Aviv ernannt werden solle, könne die türkischen Stellungnahmen zur palästinensischen Sache "direkt" an Israel übermitteln, sagte er bei einer Pressekonferenz in Ankara.



Der Direktor des Jerusalemer Instituts für Strategie und Sicherheit, Ephraim Inbar, verwies auf die Bedeutung der Türkei für Israel als mögliches regionales "Gegengewicht" zum Iran. Die muslimische Türkei sei ein strategisch sehr wichtiges Land. (AFP)