Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor: Liberaler Islam bewegt etwas

Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor blickt positiv auf die Gründung des Liberal-Islamischen Bundes (LIB) vor zehn Jahren zurück. Die rund 230 Mitglieder träfen sich mittlerweile in Gemeinden und praktizierten dort einen gleichberechtigten Islam, sagte die LIB-Mitbegründerin in einem Interview der "Welt am Sonntag".

"Das umfasst auch geschlechtergemischte Gemeinschaftsgebete, mit weiblichen oder schwulen Imamen." Eine eigene Moschee dagegen sei zu teuer, sagte Kaddor. Meist versammelten sich die Gläubigen in Sälen, die ihnen von den Kirchen zur Verfügung gestellt würden - "was ein schönes Zeichen ist".

Kaddor betonte: "Wir mögen klein sein, aber wir bewegen etwas." Der LIB sei in der Deutschen Islamkonferenz und in kommunalen Gremien. Über Religionsunterricht und andere Themen sei er mit mehreren Landesregierungen im Austausch.

Angesichts konservativer Verbände mit deutlich mehr Mitgliedern sagte Kaddor, es gehe nicht nur um Zahlen. Der LIB repräsentiere eine "verbreitete Haltung". Liberale täten sich aber oft schwer damit, sich zu organisieren, weil sie ihren Glauben individuell und frei praktizierten. Auch seien die finanziellen Möglichkeiten begrenzt, weil der LIB kein Geld aus dem Ausland bekomme.

Mit Blick auf die Initiative Säkularer Islam sagte Kaddor, dass deren Vertreter nicht immer einen liberalen Islam verträten. So seien manche von ihnen im Umgang mit traditionelleren Muslimen nicht liberal: "Es ist autoritär, das Kopftuchtragen in weiten Teilen der Öffentlichkeit verbieten zu wollen und jede andere Meinung dazu islamistisch zu nennen."

Der LIB orientiere sich an dem Ziel, "einen in der modernen Gesellschaft lebbaren Islam zu gestalten", erklärte Kaddor. Der Verband vereine Menschen, die in traditionellen Gemeinden nicht geduldet worden oder zurechtgekommen seien: etwa Deutsche, "die sich nicht beheimatet fühlten in den am Herkunftsland orientierten Moscheen", Schwule oder Frauen mit nichtmuslimischen Ehemännern. (KNA)